Meinung Das Tierwohl, die Moral und die Gesetze des Marktes

Meinung · Ein Satz der Bewerberin um die Merkel-Nachfolge, Annegret Kramp-Karrenbauer, ließ in dieser Woche aufhorchen: Tierwohl dürfe nicht allein ein Thema der Grünen sein. „Das interessiert auch CDU-Wähler“.

Foto: k r o h n f o t o . d e

In der praktischen Politik der Union, aber auch des Koalitionspartners SPD, ist das noch nicht angekommen, wie die abermalige Verlängerung der Möglichkeit zur betäubungslosen Ferkelkastration zeigt, die die große Koalition heute im Bundestag zur Debatte stellt.

Die Agrarlobby hat wieder ganze Arbeit geleistet. Wie schon bei der Käfighaltung ist ihre Strategie klar: Wenn man Veränderungen schon nicht komplett verhindern kann, gilt es, sie wenigstens so lange wie möglich hinauszuschieben. In diesem Fall noch einmal zwei Jahre. Obwohl das Verbot schon vor fünf Jahren beschlossen wurde und ab 2019 gelten sollte.

Weil dieses Gesetz vom Agarministerium aber nicht entschlossen umgesetzt wurde, gibt es jetzt genug Argumente für die Fristverlängerung – vor allem, dass die Alternativtechniken noch nicht ausgereift seien und weiter geforscht werden müsse. Man kann darauf wetten, dass dem Vorstoß von Agrarministerin Julia Klöckner gegen das Schreddern männlicher Küken ein ähnliches Schicksal beschert sein wird. Obwohl hier sehr überzeugende Techniken vorliegen. Die Geflügelwirtschaft hat ihre Bedenken schon angemeldet.

Das Schändliche an Ferkelkastration ohne Betäubung und Kükentöten ist: Sie sind unnötige und vermeidbare Tierschutzverletzungen. Sie geschehen nur noch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit. Gespart werden nur geringe Beträge: drei, vier Euro beim Ferkel; ein, zwei Cent beim Ei. Außerdem sind sie die Spitze eines Eisberges, zu dem unwürdige Haltungsbedingungen gehören und eine würdelose Schlachtung am Ende.

Der Mensch isst Fleisch, und deshalb ist die Verwertung von Tieren nicht zu vermeiden. Aber abgesehen davon, ob es immer so viel Fleisch sein muss, ist die große Frage, unter welchen Bedingungen dieses Fleisch hergestellt wird. Immer mehr Konsumenten fühlen sich unwohl mit der Tatsache, dass eben nicht alles Mögliche getan wird, um Tieren unnötiges Leid zu ersparten. Ihre langjährige, sehr konsequente Politik bei diesem Thema macht auch einen Teil des Erfolges der Grünen aus. Das hat Kramp-Karrenbauer freilich nicht gesagt.

Tierwohl ist nicht nur eine ethische Pflicht gegenüber Mitgeschöpfen. Es ist, so seltsam es klingen mag, am Ende auch eine humanitäre Frage. Wo Tiere gefühllos behandelt werden, wird bald die gesamte Natur, die Umwelt, das Opfer von Gedankenlosigkeit und gnadenlosem Kommerz. Und am Ende der Mensch selbst. In China, dem Land, in dem man wohl am schlechtesten mit Tieren umgeht, kann man es sehen, riechen und schmecken.