Analyse: Was hilft gegen die Glücksspielsucht?
Politiker und Experten beraten am Mittwoch über neue gesetzliche Regelungen.
Berlin. Wer in der Glücksspielsucht versinkt, braucht ständig frisches Geld. Oft stehlen die Suchtkranken aus den Geldbeuteln von Geschwistern, Eltern oder Großeltern — und tragen das Geld in Spielhallen. Zu Tausenden landen Spielsüchtige in der Therapie. Wie kann die Politik helfen? Am Mittwoch berät der Bundestag darüber mit Experten.
Die SPD möchte die Sucht durch Automatensperren eindämmen. „Wir wollen Möglichkeiten des Selbstschutzes anbieten“, sagt SPD-Suchtexpertin Angelika Graf. Wer von den Automaten loskommen will, soll sich sperren können. Funktionieren könnte das über Spielerkarten mit Namen und Geburtsdatum. Steigt in Stressmomenten der Suchtdruck, prallt der Betroffene an eine selbst errichtete Hürde. Für Jugendliche würde die Sperre automatisch gelten. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) verzichtet in seinen Gesetzesplänen auf Sperrungen über Spielerkarten.
Es gibt weitere Änderungspläne: „Wir wollen das Geldspiel entschleunigen“, kündigte Graf an. Die Mindestdauer pro Spiel soll von fünf auf 15 bis 20 Sekunden angehoben werden. Der maximale Verlust pro Stunde und Automat soll von bisher 80 Euro auf 40 Euro reduziert werden. Süchtigmachende Funktionen sollen abgeschafft werden. „Das ist im Grunde alles, was blinkt und blitzt“, sagte Graf. Ähnliche Vorschläge macht auch Rösler.
Ginge es nach manchen Ärzten, würde sich die Politik so kraftvoll wie möglich gegen die Automatenflut stemmen. „Wir behandeln 130 Patienten im Jahr wegen Glücksspielsucht“, sagt der Chefarzt der Klinik Schweriner See in Lübstorf, Thomas Fischer. Die Warteliste sei lang. Zu ihm kommen die Menschen meist erst, wenn sie am Ende sind, nach 13, 14 Jahren Suchtkarriere. „Oft haben sie als Jugendliche mit dem Vater in einer Gaststätte ein bisschen gedaddelt und gewonnen“, sagt Fischer. „Das ist ein Initialreiz, der dazu führt, dass häufiger gespielt wird.“ Im Schnitt kämen seine Patienten mit 25 000 Euro Schulden in die Klinik.
Strengere Regeln fordern auch viele Sachverständige vor die Bundestagsanhörung. „Alle Untersuchungen sind sich einig, dass die Geldspielgeräte das größte Problem darstellen“, sagt der Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim, Tilman Becker. Wirtschaftsrechtler Michael Adams rechnet vor: „Mehr als jeder zweite Euro der Einnahmen der Automatenindustrie stammt von einem Spielsüchtigen.“ Jede neue Spielhalle mit 400 000 Euro Jahresumsatz bringe 18 Suchtkranke zusätzlich. „Das wirkliche Geld ist nur von kranken Spielern zu holen.“