Arbeitnehmer gehen immer später in Rente
Berlin/Nürnberg (dpa) - Wann gehen die Deutschen in Rente? Immer später, wie die jüngste Statistik zeigt. Das bedeutet noch nicht automatisch mehr Geld für die Rentenkasse - aber die Beschäftigungschancen Älterer steigen.
Das durchschnittliche Eintrittsalter stieg im vergangenen Jahr bei Männern von 63,5 Jahren auf 63,8 Jahre - den höchsten Wert seit Bestehen der gesamtdeutschen Statistik, wie die Deutsche Rentenversicherung Bund auf Anfrage am Mittwoch in Berlin mitteilte. Bei Frauen verschob sich das Renteneintrittsalter auf 63,3 Jahre, nachdem es 2009 bei 62,9 Jahren gelegen hatte. Als ein Grund gelten bessere Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer.
Ausschlaggebend für den Anstieg des Renteneintrittsalters waren laut Statistik die westlichen Bundesländer. Männer bekamen dort 2010 im Schnitt mit 63,9 Jahren Rente (Vorjahr: 63,6 Jahre), Frauen mit 63,6 Jahren (Vorjahr: 63,2 Jahre). In Ostdeutschland stagnierte das Renteneintrittsalter der Frauen dagegen bei 61,6 Jahren, bei Männern sank es auf 62,9 Jahre nach 63,1 Jahren 2009. Damit wurden Informationen der „Bild“-Zeitung (Mittwoch) bestätigt.
Die Daten sagen nicht aus, ob die Menschen aus einer Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit in die Rente eintreten. Auch Effekte auf die Rentenkasse gehen daraus nicht eindeutig hervor. Generell gilt, dass Arbeitnehmer, die länger Beiträge einzahlen, auch höhere Rentenansprüche haben.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) warnte vor „Schönfärberei“ auf Basis dieser Zahlen. „Wer im Alter jahrelang arbeitslos ist, dem nützt der durchschnittlich spätere Renteneintritt nichts“, sagte IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel. Zur Rechtfertigung der Anhebung des Eintrittsalters auf 67 Jahre taugten die Zahlen daher nicht. Der Linke-Vorsitzende Klaus Ernst betonte: „Viele zögern den Renteneintritt absichtlich hinaus, um dauerhafte Abschläge auf ihr Ruhegeld zu vermeiden.“ Je näher Menschen am heutigen Eintrittsalter von 65 Jahren seien, desto weniger von ihnen seien noch erwerbstätig. Die Rente mit 67 soll von 2012 an schrittweise eingeführt werden.
Eine allmähliche Verschiebung des Renteneintrittsalters spiegelt sich auch in der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) wider. „Es gibt einen Trend, dass mehr Ältere länger als früher beschäftigt sind“, sagte ein BA-Sprecher in Nürnberg. So habe der Anteil der Erwerbstätigen in der Gruppe der 50- bis 65-Jährigen 2005 noch bei 63 Prozent gelegen. „2009 lag dieser Anteil bei 70 Prozent.“ Während die Zahl der aus Altersgründen in den Ruhestand wechselnden Männer und Frauen 2005 noch 1,8 Millionen betragen habe, seien 2009 nur noch 1,27 Millionen Menschen in den Ruhestand gegangen.
Hintergrund dieser Entwicklung ist nach Einschätzung des BA- Sprechers zum einen, dass nach der Streichung staatlicher Zuschüsse der vorzeitige Ruhestand für viele finanziell nicht mehr so attraktiv sei wie früher. „Außerdem sind inzwischen die Jobchancen für Ältere deutlich besser als noch vor ein paar Jahren. Viele Unternehmen setzen angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels wieder stärker auf die Erfahrung älterer Beschäftigter.“
Ein leichter Anstieg des Renteneintrittsalters ist seit einigen Jahren vor allem bei Männern zu beobachten, wie aus der Statistik der Rentenversicherung hervorgeht. Allerdings liegt das aktuelle Niveau deutlich unter früheren Werten. So lag es 1965 in der Bundesrepublik bei Männern bei 65,4 Jahren. Bei Frauen waren es damals 63,9 Jahre.