Armutszuwanderung: „CSU ist ein Frühwarnsystem“
Bayrische Partei mahnt weiter vor osteuropäischen Armutsflüchtlingen. SPD und Wirtschaft kritisieren das.
Berlin. Im Koalitionskrach über die Zuwanderungspolitik sticheln die Parteien trotz mancher Beschwichtigungsversuche weiter. Die CSU sieht sich in ihrer Forderung bestätigt, einen Missbrauch von Sozialleistungen härter zu ahnden und Kommunen zu helfen, in denen viele arbeitslose Migranten leben. In der SPD hält sich der Vorwurf, der Koalitionspartner wolle mit „Hetzparolen“ im bevorstehenden Europa-Wahlkampf Stimmung machen.
Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Volker Bouffier sprang der Schwesterpartei aus Bayern bei: „Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass niemand gern sein Heimatland verlässt. Wenn er es aus Armut tut, dann müssen wir ihn dort unterstützen. Gleichzeitig müssen wir aber auch einfordern, dass er sich darum bemüht, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten“, sagte der hessische CDU-Regierungschef der „Welt am Sonntag“.
Hintergrund des Streits ist ein CSU-Papier für die Klausurtagung in Wildbad Kreuth in dieser Woche. Darin fordert die Bundestagsgruppe der Partei, härter gegen Armutszuwanderung vorzugehen. Damit umschreibt die CSU gering qualifizierte Migranten, die nach Einschätzung der Partei Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollten, aber kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. Besonders umstritten in dem Papier ist der Satz „Wer betrügt, der fliegt“. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der „Welt“: „Wir machen keinen Angst-Wahlkampf.“ Die CSU wirke als Frühwarnsystem.
Seit dem 1. Januar brauchen EU-Bürger aus Rumänien und Bulgarien keine Arbeitserlaubnis, um sich in Deutschland niederzulassen. Im September 2013 arbeiteten 160 000 Bulgaren und Rumänen in Deutschland, 126 000 davon in sozialversicherten Jobs. Städte wie Berlin, Dortmund oder Duisburg klagten aber auch über den Zuzug von Menschen aus Osteuropa ohne Jobchancen.
Das schwarz-rote Bundeskabinett will am Mittwoch einen Staatssekretärs-Ausschuss einsetzen. Das Gremium soll prüfen, ob und welche Maßnahmen gegen den möglichen Missbrauch von Sozialleistungen notwendig sind. Trotz der damit angestrebten Versachlichung des Streits warf der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer der SPD Heuchelei vor. Im Koalitionsvertrag finde sich der gleiche Inhalt wie in dem von der SPD kritisierten CSU-Positionspapier. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte „Bild“: „Was wir nicht brauchen, sind Wahlkampfparolen.“ Er halte „nichts davon, dieses Problem künstlich groß zu reden. Aber wir dürfen es auch nicht verniedlichen.“
Derweil warnte die deutsche Industrie vor Schäden für die Wirtschaft. Deutschland brauche bis zu 1,5 Millionen qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland, um Wachstum zu sichern, sagte DIHK-Geschäftsführer Martin Wansleben. Die EU-Kommission wies Forderungen nach schärferen Einwanderungs-Regelungen zurück.