Ausgelastet: Gericht hebt Haftbefehl gegen Terrorverdächtigen auf
Frankfurt/Main/Wiesbaden (dpa) - Das Landgericht Frankfurt hat den Haftbefehl gegen einen Terrorverdächtigen aufgehoben, weil die Richter derzeit mit anderen Fällen ausgelastet sind.
Der 32 Jahre alte Syrer soll dem Gericht zufolge geplant haben, sich im Ausland der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschließen. „Andere Dinge haben höhere Priorität“, begründete Gerichtssprecher Werner Gröschel die Entscheidung. Die zuständige Staatsschutzkammer müsse zunächst andere Verfahren abarbeiten, der Haftbefehl sei daher nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verhältnismäßig.
Die Staatsanwaltschaft reichte gegen die Entscheidung des Landgerichts Beschwerde ein, die das Oberlandesgericht (OLG) allerdings verwarf. Der 32-Jährige sei zwar weiter dringend verdächtig, die ihm zur Last gelegten Straftaten begangen zu haben, teilte das OLG in seiner Begründung mit. Es sei jedoch nicht mehr verhältnismäßig, den Haftbefehl aufrecht zu erhalten. Die von der zuständigen Staatsschutzkammer angeführte Überlastung werde auf absehbare Zeit fortbestehen.
Der Beschuldigte, der unter Auflagen ohnehin auf freiem Fuß ist, war vor zwei Jahren am Flughafen Frankfurt/Main festgenommen worden, als er ausreisen wollte. Er sei wohl ein potenzieller IS-Kämpfer, sagte Landgerichtssprecher Jörn Immerschmitt.
Die Staatsanwaltschaft hatte vor rund zehn Monaten - im April 2015 - Anklage wegen der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ erhoben. Der Mann saß aber nie in Untersuchungshaft. Die Begründung: Der Fluchtgefahr sei mit Auflagen begegnet worden. Er habe sich dreimal wöchentlich melden müssen und gegen die Auflage nicht verstoßen.
Landgerichtssprecher Gröschel begründete die Aussetzung des Haftbefehls mit der Fülle der zu bearbeitenden Fälle. „Andere Dinge haben im Moment Priorität“, sagte er. Untersuchungsgefangene hätten Vorrang. Von einer Überlastung der Kammer wollte er nicht sprechen. „Das Gericht ist aber ausgelastet, nicht überlastet. Das ist ein Unterschied.“
„Wir halten die Gründe für die Aussetzung nicht für ausreichend“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Friderike Busch. Das Verfahren gegen den Mann läuft trotz der Entscheidung des Landgerichts weiter. Das OLG hatte die Anklage bereits geprüft und im September entschieden, dass das Landgericht die Hauptverhandlung übernehmen soll.
Das Justizministerium wies den Vorwurf zurück, der Mann sei nun auf freiem Fuß, weil die Gerichte unterbesetzt seien. Der Landesregierung sei die Bekämpfung extremistischer Straftaten sehr wichtig, betonte ein Ministeriumssprecher. Bei der gesamten Frankfurter Justiz seien deswegen vier zusätzliche Stellen zur Verfolgung politischer Straftäter geschaffen worden. „Von den vier Stellen ist bei uns keine angekommen“, sagte ein Gerichtssprecher dazu.