Umfrage Baden-Württemberg: Grüne schöpfen wieder Hoffnung
Umfrage sieht Partei in BaWü erstmals vor der CDU / Selbst Grün-Schwarz scheint denkbar
Stuttgart. Hoffnungszeichen für die Grünen: Knapp drei Wochen vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg liegt die Partei nach einer aktuellen Umfrage dort erstmals knapp vor der CDU. Experten halten nun sogar Grün-Schwarz für möglich.
Im Bundesvorstand der Grünen herrschte gestern Aufbruchstimmung. "Das ist eine Motivation für uns", meinte Parteichefin Simone Peter nach einer Sitzung des Führungszirkels in Berlin. Dabei schien es bis vor kurzem noch so, als würde ein grüner Ministerpräsident, der erste in der Geschichte der Partei, doch nur eine vergleichsweise kurze Episode sein. Winfried Kretschmann hat in Baden-Württemberg zwar einen guten Ruf. Doch der Koalitionspartner SPD schwächelt, derweil die ausländerfeindliche AfD seit Jahresbeginn in allen Umfragen auf zweistellige Werte kommt.
Eine denkbar schlechte Konstellation für Kretschmann. Nun aber keimt Hoffnung. Nach einer aktuellen Erhebung des Instituts für neue soziale Antworten (INSA) rangieren die Grünen mit 30,5 Prozent erstmals hauchdünn vor der CDU (30 Prozent). Die SPD kommt auf 16 Prozent. Gemessen an ihrem Wahlergebnis von 2009 (23,1 Prozent) ist das allerdings immer noch sehr mager. Grün-Rot käme damit jetzt auf 46 Prozent - fast genauso viel, wie CDU (30), AfD (10) und FDP (7) im Augenblick rechnerisch zusammen hätten.
"Das ist keine Eintagsfliege, sondern eine kontinuierliche Stärkung der Person Winfried Kretschmann", machte sich Peter Mut. Auch der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick ist optimistisch. "Eine grün-rote Mehrheit der Mandate ist nach dieser Umfrage eindeutig erreichbar", sagte der Grünen-Politiker. Ein Grund sei, dass die Baden-Württemberger großes Vertrauen zu ihrem Ministerpräsidenten hätten. "Das gilt auch in der Flüchtlingspolitik", so Schick. Dabei hat sich Kretschmann gerade bei diesem Thema schon öfter mit der eigenen Partei angelegt.
Besonders die von der Bundesregierung initiierte Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten, die Kretschmann im Bundesrat mittrug, sorgte für Streit. Demnächst soll sie auch noch um die drei Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien ergänzt werden. Jürgen Trittin, immer noch ein exponierter Vertreter des linken Parteiflügels, hat deshalb schon alle "Regierungs-Grünen" aufgerufen, die Vorlage in der Länderkammer abzulehnen. Doch davon dürfte sich Kretschmann kaum beeindrucken lassen - zumal seine Flüchtlingspolitik ja offenbar tatsächlich beim Wähler gut ankommt.
Auch der Mainzer Parteienforscher Jürgen Falter hat einen Trend für die Grünen ausgemacht. "Das liegt zum einen an der Person Kretschmann, der auf seine schwäbisch bedächtige Art wie ein idealer Landesvater für viele Baden-Württemberger wirkt". Zum anderen würden aber auch nicht wenige potenzielle CDU-Wähler wegen ihrer Unzufriedenheit mit Kanzlerin Angela Merkel offenbar lieber die AfD stärken, sagte Falter unserer Zeitung.
Nach aktuellem Stand sei daher sogar eine grün-schwarze Regierung möglich. "Ich halte das für nicht ausgeschlossen, wenn man bedenkt, dass es in Baden-Württemberg fast schon einmal zu Schwarz-Grün gekommen wäre", so Falter. Oswald Metzger, einst ein prominenter Grüner, aber seit 2008 Mitglied der CDU, kann sich ebenfalls eine solche Konstellation vorstellen. "Jetzt werden viele Gewissheiten beerdigt", sagte er unserer Zeitung. Vor fünf Jahren sei die CDU zwar mit Abstand stärkste Partei geworden, doch habe sie sich schon vor der Wahl alle Koalitionsoptionen kaputt gemacht. "Insofern wäre die CDU klug beraten, selbst die unwahrscheinlichsten Varianten nicht von vornherein in den Orkus zu werfen", erklärte Metzger.