Bayern fordert Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik
Berlin/München (dpa) - Der Streit um die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird immer mehr zur Belastung für die große Koalition.
CSU-Chef Horst Seehofer machte seine Ankündigung wahr und verlangte als bayerischer Ministerpräsident schriftlich eine Kehrtwende. Er will gegen die gemeinsame Bundesregierung notfalls vor dem Verfassungsgericht klagen. Die SPD wertet dies als Drohung mit Koalitionsbruch. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) rief das schwarz-rote Bündnis eindringlich zur Gemeinsamkeit auf.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte am Dienstag mit Blick auf den Vorstoß des CSU-regierten Bayerns: „Das ist die Ankündigung des Koalitionsbruchs. In einer Koalition schreibt man keine Drohbriefe, sondern löst Probleme.“ In dem schon länger angekündigten Brief, den das bayerische Kabinett beschloss, fordert der Freistaat eine Sicherung der deutschen Grenze und eine Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr. Wie lange Merkel Zeit zum Handeln gegeben wird, ist unklar. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt machte deutlich, der Brief „entbindet uns nicht, gemeinsam nach Mitteln und Wegen zu suchen, das Problem auf der politischen Ebene zu lösen“.
Kauder sagte, er appelliere an alle in der großen Koalition, verbal abzurüsten „und sich darauf zu besinnen, dass die Menschen von uns erwarten, dass jetzt Lösungen kommen“. Er fügte an: „Wir haben eine große Verantwortung in dieser Regierungskoalition für unser Land.“ Merkel rief die eigenen Unionsreihen zur Geschlossenheit auf. „Lassen Sie uns zeigen, dass wir glauben, dass wir die Probleme lösen können, ohne dass Europa schweren Schaden nimmt“, sagte die CDU-Chefin nach Teilnehmerangaben in einer Sitzung der Unionsfraktion. In der Debatte mit etwa 20 Wortmeldungen mahnten laut Teilnehmern auch die meisten Abgeordneten ein Ende der internen Kritik an Merkels Kurs an.
Der seit Wochen ungelöste Streit über weitere Verschärfungen des Asylrechts, das Asylpaket II, schwelt weiter. Die CSU besteht darauf, für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz den Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen. Merkel, Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel (SPD) hatten dies im November vereinbart. An diesem Donnerstag wollen die drei Parteivorsitzenden vor einem Bund-Länder-Treffen zur Flüchtlingspolitik im Kanzleramt zusammen.
Zur Lösung des Streits will die Koalition ihre November-Einigung nun überarbeiten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sieht ein Kompromissvorschlag von Merkel und Gabriel vor, dass der Nachzug nicht mehr nur für etwa 1800 Flüchtlinge begrenzt wird. Nun soll dies auch auf syrische Flüchtlinge dieser Schutzkategorie (subsidiärer Schutz) ausgeweitet werden. Das sind um die 20 Prozent aller syrischen Flüchtlinge, die bisher nach Deutschland gekommen sind. Der Nachzug soll nun aber für nur ein Jahr ausgesetzt werden - das ist Seehofer aber nicht genug. Zudem soll es eine Sonderregelung geben, damit Syrer Frauen und Kinder nachholen können, die derzeit in Lagern in Jordanien und im Libanon leben.
Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) schlug eine Stichtagsregelung zur besseren Integration vor. Jeder Flüchtling, der sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in Deutschland aufhalte, dürfe ungeachtet, ob sein Asylverfahren abgeschlossen sei, hier bleiben und arbeiten, sagte Schröder laut „Handelsblatt Online“ in Frankfurt.