Bei den Grünen bringen sich die Parteiflügel in Stellung

Nach dem Rücktritt der Parteispitze werden die Karten neu gemischt. Auch bislang Unbekannte werfen ihren Hut in den Ring.

Berlin. Einen Tag lang haben die Grünen nach dem Abtritt ihrer Gründergeneration durchgeatmet. Am Donnerstag ging das Ringen weiter: Zwei bisher wenig bekannte Kandidaten wollen ganz nach oben — aber auch zwei prominentere stellen sich zur Wahl oder bekunden Ambitionen. Mit Kerstin Andreae erklomm eine Verfechterin eines strikten wirtschaftsfreundlichen Mitte-Kurses die nächste Stufe im Gerangel um die Macht in der Ökopartei und ihre Ausrichtung.

Andreae braucht auf Twitter einen Satz und in einer Mail an die Grünen-Abgeordneten fünf knappe Absätze, um ihre Kandidatur für den Fraktionsvorsitz anzukündigen. Sie vertritt die Linie der Reformer, die den linken Kurs von Jürgen Trittin beenden wollen. „Weil wir es ernst mit der ökologischen Modernisierung meinen, wollen wir neue Brücken zur Wirtschaft und in die Gesellschaft schlagen“, schreibt Andreae.

Linke Grüne sind alarmiert, Realos angetan. „Gute Nachricht!“, twittert etwa die Vize-Fraktionschefin aus Baden-Württemberg, Andrea Lindlohr. Andreae würde wohl gegen Katrin Göring-Eckardt antreten, die zwar auch zu den Realos gehört, aber als Spitzenkandidatin im Wahlkampf auch linke Themen besetzt hat. Der Parteilinke Anton Hofreiter, der ebenfalls für das Spitzenamt im Bundestag kandidiert, dürfte so oder so zum Zug kommen.

Kurz darauf weist aus dem Saarland Simone Peter auf Twitter auf einen neuen Eintrag auf ihrer Homepage hin. Simone Peter war dort in der Jamaika-Koalition Umweltministerin. Seit gut zwei Wochen wird sie bei den Grünen als mögliche Nachfolgerin von Parteichefin Claudia Roth genannt. Nun hat Peter ein „Angebot an die Partei“ geschrieben: „Ich (. . .) erkläre mich offen für eine Kandidatur“, schreibt sie. Will sie also oder nicht? Sie will schon, beteuern Parteilinke. Im Internet organisieren sie Unterstützung. Aber auch Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke hält sich eine Kandidatur offen.

Bei den linken Grünen ist man wenig erbaut dieser Tage. Noch am Montag war von ihren Vertretern öfter zu hören, man dürfe jetzt nichts überstürzen beim Personal. Doch jetzt hat Andreaes Ankündigung die Umdrehungen im Karussell beschleunigt. Göring-Eckardt gilt Linken als verträglicher. Und während Andreae und Peter für sich in Anspruch nehmen könnten, dass mit ihnen eine Erneuerung glaubhafter zu machen wäre, könnten Göring-Eckardt und Lemke argumentieren: Bleibt bis auf Parteichef Cem Özdemir, der wieder antreten will, kein bekanntes Gesicht übrig, könnte eine große Lücke entstehen.