NSU-Prozess Bundesanwaltschaft fordert Höchststrafe für Zschäpe
München (dpa) - Nach mehr als vier Jahren NSU-Prozess fordert die Bundesanwaltschaft die Höchststrafe für die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe: lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung.
Das sagte Bundesanwalt Herbert Diemer zum Abschluss des Anklage-Plädoyers vor dem Münchner Oberlandesgericht. Bis zu einem Urteil dauert es aber noch Monate.
Auch für die vier Mitangeklagten verlangte die Bundesanwaltschaft teils langjährige Haftstrafen: unter anderem 12 Jahre für den mutmaßlichen Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben, aber auch für den Mitangeklagten André E.. Dieser wurde im Gerichtssaal in Gewahrsam genommen, bis das Gericht über den Antrag der Anklage auf sofortige Untersuchungshaft entschieden hat. Dies soll am Mittwoch geschehen.
Nach Überzeugung der Anklage ist Zschäpe Mittäterin an allen Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“: den neun Morden an türkisch- und griechischstämmigen Gewerbetreibenden, dem Mord an einer deutschen Polizistin, zwei Bombenschlägen mit Dutzenden Verletzten sowie insgesamt 15 Raubüberfällen. Im November 2011 setzte Zschäpe zudem die letzte Fluchtwohnung des NSU in Zwickau in Brand.
Diemer sagte, Zschäpe habe sich bis zu dieser Tat möglicherweise nie selbst die Finger schmutzig gemacht. Der Bundesanwalt betonte aber: „Sie hat alles gewusst, alles mitgetragen und auf ihre eigene Art mitgesteuert und mit bewirkt.“ Damit habe Zschäpe „fast schon massenhaft“ Verbrechen gegen das Leben anderer Menschen begangen.
Zschäpe ist das einzige noch lebende ehemalige Mitglied des NSU. Ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sich nach einem fehlgeschlagenen Banküberfall im November 2011 selbst erschossen.
Insgesamt forderte Diemer für 14 Verbrechen jeweils lebenslänglich. Die Gesamtstrafe könne deshalb nur eine lebenslange Freiheitsstrafe sein. Darüber hinaus habe Zschäpe „einen Abgrund an Menschen- und Staatsfeindlichkeit“ gezeigt, der es unumgänglich mache, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Sollte das OLG das tun, wäre eine Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen.
Und auch die Anordnung der Sicherungsverwahrung bezeichnete Diemer als unerlässlich. So habe Zschäpe im Verfahren nichts zu erkennen gegeben, was auf eine Abkehr von ihrem ideologischen Gedankengut hindeuten würde. Von echter Reue sei in ihren Einlassungen vor Gericht nichts zu finden. Zschäpe sei ein „eiskalt kalkulierender Mensch“, für den Menschenleben keine Rolle spielten. Menschenleben seien ihr gleichgültig gewesen, wenn es um ihre eigenen wirtschaftlichen oder ideologischen Interessen gegangen sei.
Die Sicherungsverwahrung ist - anders als die Haft - keine Strafe für ein Verbrechen. Sie soll dazu dienen, die Allgemeinheit vor Tätern zu schützen, die ihre Strafe verbüßt haben, aber als gefährlich gelten.
Für den mutmaßlichen Terrorhelfer Wohlleben forderte Diemer zwölf Jahre Haft wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen. Wohlleben soll die „Ceska“-Pistole beschafft haben, mit der der NSU später neun Menschen ausländischer Herkunft ermordete. Für Carsten S., der die Waffe einst zusammen mit Wohlleben beschafft haben soll, forderte der Ankläger eine Jugendstrafe von drei Jahren. Zugunsten von S. wertete Diemer dessen Aufklärungshilfe und dessen eigenes Schuldeingeständnis.
Für André E. forderte Diemer ebenfalls 12 Jahre Haft, unter anderem wegen Beihilfe zum Bombenanschlag auf ein Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse in Köln. E. soll damals das Wohnmobil gemietet haben, mit dem die Täter nach Köln fuhren. Damit ging Diemer deutlich über die Anklagevorwürfe in der Anklageschrift von 2012 hinaus. In Zeiten des Terrors, in denen beliebig Menschen umgebracht würden, müssten deutliche rechtsstaatliche Zeichen der Abschreckung gesetzt werden, argumentierte der Bundesanwalt unter anderem. Anders als Zschäpe und Wohlleben sitzt E. bislang nicht in Untersuchungshaft.
Für den Mitangeklagten Holger G. forderte Diemer fünf Jahre Haft wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. G. soll unter anderem falsche Dokumente für die NSU-Terroristen besorgt haben.
Das Plädoyer der Anklage hatte vor der Sommerpause begonnen. Den für diesen Mittwoch geplanten Hauptverhandlungstermin sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl nun ab. Stattdessen setzte er einen Termin zur Eröffnung eines möglichen Haftbefehls gegen E. für Mittwochnachmittag an. Der Prozess soll am Donnerstag weitergehen.
Nach der Bundesanwaltschaft sind in den kommenden Wochen die Nebenkläger mit ihren Plädoyers an der Reihe. Allein das dürfte viele Wochen dauern. Abschließend sind dann die Verteidiger am Zug.