Bundestag untersucht NSA-Schnüffelpraxis
Nach langem Streit soll die Abhör-Affäre aufgeklärt werden. Ein Mammut-Projekt.
Berlin. Vor einem Dreivierteljahr erklärte der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), die NSA-Spähaffäre sei „vom Tisch“. Und der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) konnte nach einer Aufklärungsreise in die USA kein Problem mehr erkennen. Von wegen. Alle Fraktionen im Bundestag haben sich auf einen gemeinsamen Untersuchungsausschuss geeinigt.
Er wird ein Mammut-Projekt. Mindestens drei Jahre Arbeit stehen den Parlamentariern bevor — und spannende Zeugen. Der wichtigste: Edward Snowden.
Zu dem Sinneswandel bei der Union hat sicher das erst im Herbst bekannt gewordene Abhören des Kanzlerin-Telefons beigetragen. Und auch die Weigerung der USA, mit einem Abkommen zum Verzicht auf gegenseitige Spionage (No-Spy-Abkommen) für Entspannung zu sorgen. Nächste Woche soll der Untersuchungsausschuss gebildet werden, der Vollmachten wie ein Gericht hat.
Weil die Opposition zwei der acht Mitglieder stellen soll, kann sie eigenständig Beweisanträge durchsetzen. Einer wird lauten, Merkel, Pofalla und Friedrich anzuhören, denn noch immer wollen Linke und Grüne den Regierungsparteien CDU und CSU nachweisen, dass sie die Affäre 2013 wegen des Wahlkampfes absichtlich verharmlost haben.
Am spannendsten aber wird die vom Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele Freitag bereits angekündigte Vorladung von Edward Snowden werden. Der 30-jährige abtrünnige NSA-Mitarbeiter soll einer der ersten Zeugen sein. Die Vorladung ergibt Sinn, denn die amerikanischen und britischen Geheimdienste werden den Aufforderungen aus Berlin kaum Folge leisten, hier über ihre Schnüffelpraxis auszupacken.
Also muss der große Enthüller der Affäre selbst ran. Snowden genießt derzeit in Moskau Asyl, das aber im Sommer ausläuft. Er würde gern dauerhaft nach Deutschland kommen. Allerdings würden die USA dann sofort seine Auslieferung verlangen. Ohne Zusage für einen dauerhaften Schutz aber, so machte Ströbele Freitag deutlich, kommt der junge „Whistleblower“ nicht.
Und dass er sich stattdessen in Moskau vernehmen lässt, hat Snowden bereits ausgeschlossen. Voraussichtlich werden Grüne und Linke versuchen, Snowden deshalb so etwas wie den Status eines Kronzeugen zu geben und verlangen, dass ihm außerhalb eines regulären Asylverfahrens aus übergeordneten politischen Gründen in Deutschland ein sogenannter „sicherer Aufenthalt“ gewährt wird.