Bundestagsdebatte Ampel und Union streiten trotz Einigung auf Waffenlieferantrag weiter

Berlin · Ampel und Union haben sich zwar für einen gemeinsamen Antrag zu Waffenlieferungen an die Ukraine zusammengerauft. Allzu weit reicht die Einmütigkeit aber nicht. Das zeigt die Debatte im Bundestag. Dass dort der nach Japan gereiste Kanzler fehlt, ist ebenfalls ein Thema.

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Die Ampel-Koalition und die CDU/CSU streiten weiter vehement über den Kurs im Ukraine-Krieg - trotz der Einigung auf einen gemeinsamen Antrag zu Waffenlieferungen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz warf am Donnerstag im Bundestag Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor, über Wochen die Frage offen gelassen zu haben, ob die Ukraine denn nun Waffen erhalten solle. „Das ist Zögern, das ist Zaudern und das ist Ängstlichkeit.“ Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hielt dem CDU-Vorsitzenden daraufhin „parteipolitische Profilierung“ vor. Die Union kritisierte auch, dass Scholz gerade jetzt nach Japan gereist sei.

Der gemeinsame Antrag wurde mit sehr großer Mehrheit angenommen. Es gab 586 Ja- und 100 Nein-Stimmen sowie 7 Enthaltungen. In ihm wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, die Ausrüstungslieferung „fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern, ohne die Fähigkeiten Deutschlands zur Bündnisverteidigung zu gefährden“.

Merz kritisierte in der Debatte scharf eine Äußerung von Scholz, der in einem Interview gesagt hatte: „Manchen von diesen Jungs und Mädels muss ich mal sagen: Weil ich nicht tue, was Ihr wollt, deshalb führe ich.“ Gemeint gewesen seien offenbar die drei Vorsitzenden der Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa - Michael Roth (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne). Diese waren Mitte April in die Westukraine gereist. „Mitglieder des Deutschen Bundestages herablassend mit Jungs und Mädels zu bezeichnen, das ist auch für einen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland völlig inakzeptabel“, rief der Oppositionsführer.

„Einfach nur das Gegenteil von dem zu tun, was Mitglieder des Deutschen Bundestages für richtig halten, ist auch kein Ausdruck von Führung.“ Dieser Sprachgebrauch sei „eher ein Zeichen von Unsicherheit und von Schwäche“. Äußerungen von Scholz, die Lieferung deutscher Waffen würden möglicherweise einen dritten Weltkrieg auslösen, nannte Merz „ebenso unverantwortlich wie aus unserer eigenen historischen Erfahrung heraus falsch und irreführend“.

Nach dieser Art Generalabrechnung konterte SPD-Chef Klingbeil: „Das hätte heute eine staatspolitische Rede von Ihnen werden können. Es ist aber eine parteipolitische Rede geworden.“ Er sei dankbar dafür, dass die Ampel-Fraktionen und die CDU/CSU einen gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht hätten, sagte Klingbeil. „Aber hier ist kein Platz für parteipolitische Profilierung.“ Der Antrag richte das klare Signal an Kreml-Chef Wladimir Putin und an die Menschen in der Ukraine, „dass wir auf der richtigen Seite der Geschichte als Deutscher Bundestag stehen“.

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) griff später das Stichwort der staatspolitischen Rede auf und kritisierte die Japan-Reise des Kanzlers: „Die staatspolitische Rede hätte heute hier der Bundeskanzler halten müssen. Der wäre hier gefordert gewesen. Den hätten wir hier sehen wollen.“ Zuvor hatte es schon AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla als „unentschuldbar“ bezeichnet, dass Scholz nicht anwesend sei. Der Bundestag streite über Krieg und Frieden „und Herr Scholz reist zur Kirschblüte nach Japan“.

Koalitionsvertreter wie FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigten den Kanzler hingegen. Es gehe darum, die Beziehungen zu liberalen Demokratien weltweit zu stärken, sagte er. „Deshalb ist es richtig, dass der Bundeskanzler dieser Tage nach Japan gereist ist, um genau dies zu tun.“

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warnte vor dem Risiko eines Atomkriegs als Folge der Waffenlieferungen an die Ukraine. „Unter anderem mit der Angst vor einem Atomkrieg hat der Bundeskanzler die Lieferung schwerer Waffen ausgeschlossen, und zwar zu Recht“, sagte Bartsch. Dies erwarteten die Menschen von der Regierung. „Das muss das oberste Ziel sein in dieser dramatischen Entwicklung.“ Doch jeden Tag gebe es bei Scholz und der Ampel eine Kehrtwende. „Es gibt einen fatalen Wettlauf: höher, schneller, weiter“, monierte Bartsch.

Auch Chrupalla warnte: „Heute bringen die Koalition und die Unionsfraktion einen gemeinsamen Antrag ein, der den Ukraine-Krieg verlängern wird und uns zur Kriegspartei in einem atomar geführten Krieg machen könnte.“ Der Antrag lese sich wie „die Beitrittsbekundung zu einem Krieg“, kritisierte der AfD-Politiker. Er forderte, Deutschland solle auch zu Russland wieder gute Beziehungen pflegen.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hält militärische Hilfe für die Ukraine für nötig, bis diese wieder ihr ganzes Staatsgebiet kontrolliert. Deutschland habe „naiv, ignorant, in deutscher Ruhe“ zugesehen, wie Russland bereits vor acht Jahren einen Krieg in der Ostukraine anzettelte, sagte die FDP-Politikerin. Seitdem seien 14.000 Menschen ums Leben gekommen. „Es geht um Freiheit und Demokratie, um Selbstbestimmung, um Menschenrechte, die mit den Füßen getreten werden.“ Deshalb bitte, rufe und schreie die Ukraine „nach unserer Hilfe“.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann verteidigte die geplanten Waffenlieferungen: „Die Ukraine kann sich auf unsere Unterstützung verlassen.“ Haßelmann machte zugleich deutlich, dass sich die Regierung die Entscheidungen nicht leicht mache: „Wir wägen ab, wir zweifeln, ja und wir hadern - aber, und wir entscheiden.“

(dpa)