Bundesverfassungsgericht verhandelt über Euro-Klagen

Karlsruhe (dpa) - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor schwerwiegenden Konsequenzen gewarnt, sollte das Bundesverfassungsgericht den Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt stoppen oder verzögern.

Ein Stopp des Rettungsschirms könne zu „erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen mit nicht absehbaren Folgen“ für die Bundesrepublik führen, sagte Schäuble am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht.

„Zweifel an der verfassungsrechtlichen Möglichkeit oder der Bereitschaft der Bundesrepublik Deutschland, Gefahren für die Stabilität der Eurozone abzuwenden, könnten dazu führen, dass die derzeitigen Krisensymptome deutlich verstärkt würden“, sagte Schäuble. Nach seiner Einschätzung könnte es zu einer verstärkten Spekulation über den Austritt einzelner Staaten aus dem Euro kommen. Die Refinanzierungskosten würden steigen.

Die Karlsruher Richter verhandeln über mehrere Eilanträge gegen die Rettungsmaßnahmen, eine Entscheidung darüber wird noch für Juli erwartet. Dabei geht es zunächst allein um die Frage, ob der Bundespräsident die genannten Gesetze unterschreiben darf oder damit warten muss, bis das Gericht über mehrere Klagen in der Hauptsache entschieden hat. Das könnte noch mehrere Monate dauern.

Die Kläger sehen eine Verletzung des Demokratieprinzips und warnen davor, dass eine Ratifizierung nicht mehr rückgängig zu machen sei. Dem Parlament entgleite die Kontrolle über den Haushalt. Eigentlich sollte der Rettungsschirm ESM am 1. Juli aktiv werden.

Für die Kläger argumentierte der Prozessvertreter des CSU-Politikers Peter Gauweiler, das von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetzespaket öffne „das Tor zu einer Haftungs- und Transferunion“. Deutschland dürfe sich daran nur beteiligen, wenn das Volk darüber abstimme. Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, sagte, die „rote Haltelinie des Grundgesetzes“ sei erreicht. Eine Abstimmung über ein neues Grundgesetz würde auch neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen - etwa für die Aufnahme sozialer Grundrechte.

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle mahnte, auch in ungewöhnlichen Krisensituationen dürfe die Verfassung nicht außer Acht gelassen werden. „Europa fordert den demokratischen Verfassungsstaat ebenso wie der demokratische Verfassungsstaat Europa fordert. Wer dieses Verhältnis zu einer Seite auflöst, verliert die andere!“ Das Gericht müsse abwägen, welche Entscheidung die größeren Nachteile mit sich bringe, sagte der Präsident. Die Politik habe vor allem in Krisenzeiten einen großen Spielraum - und die fraglichen Gesetze seien schließlich mit zwei Dritteln der Stimmen des Bundestages und Bundesrates verabschiedet worden.

Andererseits verwiesen die Kläger mit Recht darauf, dass die Gesetze völkerrechtliche Verträge begründeten. Diese seien nicht mehr aufzulösen, selbst wenn das Gericht später zum Ergebnis käme, dass sie verfassungswidrig seien. „Dass solche Prognoseentscheidungen schwierig sind, liegt auf der Hand“, sagte Voßkuhle.

Das Eilverfahren hatten unter anderem der Vereins „Mehr Demokratie“, die Fraktion der Linken im Bundestag und der CSU- Politiker Peter Gauweiler angestoßen.