Materialmisere Bundeswehr fehlt Winterkleidung für die Nato-Ostfront
Berlin (dpa) - Zuerst Panzer, nun Westen und Winterkleidung: Neue Berichte über Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr werfen ein schlechtes Licht auf die Truppe.
Für die Führung der schnellen Eingreiftruppe der Nato 2019 fehlen der Bundeswehr nicht nur Panzer, sondern auch Schutzwesten, Winterbekleidung und Zelte. Das steht in einem Papier des Heereskommandos, über das die „Rheinische Post“ berichtete. Parlamentarier aller Parteien im Bundestag reagierten empört. Das Verteidigungsministerium relativierte die Mängelberichte. Die Einsatzbereitschaft der Truppe sei nicht gefährdet.
Um der russischen Aggression auf der Krim zu begegnen, hat die Nato 2014 die sogenannte „Speerspitze“ für rasche Einsätze gegründet. Die „Very High Readiness Joint Task Force“ besteht aus bis zu 14 000 Soldaten in höchster Alarmbereitschaft. Auf Rotationsbasis stellen die Bündnismitglieder Truppen für die Speerspitze zur Verfügung. Die Soldaten bleiben in ihren Verbänden, müssen aber innerhalb von 48 bis 72 Stunden einsatzbereit an jedem Ort verlegbar sein, wo die Truppe benötigt wird. Deutschland hatte bereits 2015 die Führung der Speerspitze inne und will die Rolle Anfang 2019 erneut übernehmen. 10 000 deutsche Soldaten sollen sich daran beteiligen.
Vor wenigen Tagen war bereits bekannt geworden, dass es für die Führung der Nato-Speerspitze auch an einsatzbereiten Kampfpanzern mangelt. Gründe seien die mangelnde Versorgung mit Ersatzteilen und ein hoher Wartungsaufwand, berichtete die „Welt“. Dem Bericht zufolge fehlten auch Nachtsichtgeräte, Granatmaschinenwaffen, Unterstützungsfahrzeuge - sowie Winterbekleidung und Schutzwesten.
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, hält die Mängellisten für symptomatisch für den Zustand der Truppe. „Diese Art von Mangelverwaltung ist mittlerweile normal“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Fehle die Ausrüstung in einem Verband, werde sie woanders weggenommen. Man werde so den Nato-Auftrag zwar erfüllen können. „Aber immer zu hohem Preis für die Ausbildung und Übung in der ganzen übrigen Truppe.“ Die Ausrüstungsprobleme dürfte auch im Jahresbericht des Wehrbeauftragten eine große Rolle spielen, den Bartels am Dienstag vorlegen will.
Aus Sicht des Verteidigungsministeriums ist die Einsatzbereitschaft der Truppe in der Nato nicht gefährdet. Die Bundeswehr befinde sich bis Mitte des Jahres in einem „beschleunigten Beschaffungs- und Umverteilungsverfahren“ für die Nato-Verpflichtung, sagte ein Sprecher von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Berlin.
Sinn dieser Phase sei es, minuziös durchzugehen, was für die Aufgabe 2019 an Material vorhanden sei und was noch gebraucht werde. Es handle sich um ein übliches Vorgehen. „Das heißt nicht, dass die benötigte Ausrüstung grundsätzlich nicht mehr in der Bundeswehr verfügbar ist oder in dem gebotenen Zeitraum beschaffbar ist“, sagte der Sprecher. „Wir haben keinen Anlass zur Sorge, dass Deutschland seine Verpflichtungen in der Nato nicht erfüllen kann.“
Die mangelhafte Einsatzbereitschaft der Kampfpanzer führte der Sprecher auf die steigende Zahl an Übungen für die Nato-Missionen zurück. „Die Zahl der Manöver wird intensiver und die steigt auch. Das wirkt sich auf das Material aus.“ Dadurch sinke die tagesaktuelle Einsatzbereitschaft. Das bedeute nicht, dass man dauerhaft über zu wenige Panzer verfüge. Dennoch könne die Bundeswehr mit der Einsatzbereitschaft generell nicht zufrieden sein. „Die Bundeswehr hat nach 25 Jahren des Schrumpfens gewaltige Lücken zu füllen.“
Der Grünen-Rüstungsexperte Tobias Lindner bezeichnete es als erschreckend, „dass sich nach vier Jahren Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin nahezu nichts verbessert hat.“ Er forderte von von der Leyen ein „vollständiges und schonungsloses Bild des Zustands der Truppe“. Der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn (CSU) verlangte, die Materiallücken zu schließen, wie es im Koalitionsvertrag festgeschrieben sei. Dort haben Union und SPD vereinbart, den Soldaten die „bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung“ zur Verfügung zu stellen.
Von einem Skandal sprach FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Der sicherheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Matthias Höhn, kritisierte, wer sich sowohl in der Nato als auch in der EU als militärische Führungsmacht profilieren will, der brauche sich nicht wundern, „wenn er sich am Ende verzettelt“.