Christian Wulff: Der Herr der leisen Töne

Ein Jahr ist Christian Wulff im Amt. Im Ausland hat er sich Respekt erworben. Zuhause aber dringen seine Botschaften nicht so richtig durch.

Berlin. Diese Herzlichkeit ist ansteckend. Bundespräsident Christian Wulff empfängt einen kleinen Hintergrundkreis von Journalisten. Wo früher ein livrierter Mitarbeiter im Schloss Bellevue das Kommen des Staatschefs so formvollendet wie steif mit den Worten „Meine Damen und Herren, der Bundespräsident“ ankündigte, ist die Atmosphäre lockerer geworden. Das Staatsoberhaupt steht plötzlich in der Tür, begrüßt jeden Hauptstadt-Korrespondenten per Handschlag. Er ist ein „Super-Chef“, so ein Mitarbeiter. Wulff sei bemüht, mehr Lockerheit in den Präsidialamts-Alltag zu bringen. Nicht umsonst erzählt man sich dort, dass der 52-Jährige „dann und wann“ schon mal in der Kantine des Hauses zum Mittagessen geht, Schlange stehen an der Kasse inklusive.

Christian Wulff ist seit einem Jahr Bundespräsident. Wie kein anderer hatte er sich umstellen müssen. Die Lebensplanung des CDU-Politikers sah noch ein paar Jahre als niedersächsischer Ministerpräsident vor. Vielleicht danach noch ein Wechsel des Juristen in die Wirtschaft.

Er sei kein „Alphatier“, ihm fehle der „unbedingte Machtwille“, hatte er einmal in einem Interview gesagt. Viele haben ihm das nicht abgenommen — auch die Kanzlerin nicht, als sie ihn bat, die Nachfolge für den schlagartig zurückgetretenen Vorgänger Horst Köhler zu übernehmen. Wulff blieb kein Spielraum in dieser Frage. Er musste antreten, hatte nicht nur Schwierigkeiten seinen charismatischen Gegenkandidaten Joachim Gauck im dritten Wahlgang zu besiegen, sondern auch mit der anschließenden öffentlichen Reaktion, die in ihm die schlechtere Wahl sah und dem neuen Präsidenten die Rolle als „Merkels Statthalter“ zuwies. Wulff glich einem ins eiskalte Wasser geworfenen Präsidenten. Bei öffentlichen Auftritten wirkt er oft starr.

Wulff löste bei einer Rede eine heftige Kontroverse aus: Am 3. Oktober 2010 sagte er in einer Ansprache zum Jahrestag der Einheit: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Aus den Reihen vor allem der CSU gab es böse Schelte. Außenpolitisch agiert der stille Präsident souveräner; er scheint sich auf diesem Terrain auch dank einer traditionell engen Kooperation mit dem Auswärtigen Amt sicherer zu fühlen. Als „genial“, so ein Mitarbeiter, wurde seine Idee empfunden, sich bei seiner Israel-Reise von seiner 17-jährigen Tochter Annalena begleiten zu lassen, mit der er unter anderem die Gedenkstätte Yad Vashem besuchte.