Corona-Maßnahmen Steuersenkung und Kinderbonus - Was Verbraucher wissen müssen
Berlin · Verbraucher sollen trotz Krise kräftig Geld ausgeben - das will die Bundesregierung mit ihrem Konjunkturpaket erreichen. Als erstes profitieren Familien und alle, die größere Anschaffungen planen. Doch ob die Pläne aufgehen, ist umstritten.
Bares Geld aufs Familienkonto und sparen bei jedem Einkauf - das soll die Bürger in der Corona-Krise wieder in Kauflaune bringen. Die Bundesregierung brachte am Freitag wichtige Teile ihres 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpakets auf den Weg. Sie betreffen jeden Bundesbürger und sollen den Konsum kräftig ankurbeln. „Wir wollen aus der Krise raus mit voller Kraft“, betonte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD).
Besonders profitieren Familien mit wenig Geld, die in der Regel einen hohen Anteil ihres Einkommens direkt wieder für den Lebensunterhalt ausgeben müssen. Aber auch Unternehmen bekommen Hilfe. Allerdings gibt es Zweifel, ob die Hilfen wirklich wirken, wie sie sollen.
FÜR ALLE VERBRAUCHER
Viele Einkäufe im Supermarkt, Möbelhaus oder Elektromarkt sollen für ein halbes Jahr billiger werden. Dafür soll eine reduzierte Mehrwertsteuer sorgen. Konkret sinkt der Mehrwertsteuersatz für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent. Der ermäßigte Satz, der für viele Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs gilt, wird von 7 auf 5 Prozent reduziert.
Der Gesetzentwurf enthält jedoch den Hinweis, dass die Steuersenkung nur dann wirkt, wenn sie an die Verbraucher weitergegeben wird, wenn also wirklich die Preise im Supermarkt sinken. Der Bund übernimmt die Kosten von geschätzten 19,6 Milliarden Euro allein, um Länder und Kommunen zu schonen.
Die große Frage ist, ob die Senkung wirklich den erwarteten Konsumschub bringt - oder ob viele Bürger mit Anschaffungen nicht doch warten, bis die Unsicherheit der Krise vorbei ist. Scholz betonte, der Plan werde nur aufgehen, wenn die Mehrwertsteuer wirklich zum Jahresende wieder steige und sich ein Aufschieben von Investitionen nicht lohne.
Beim Lebensmitteleinkauf dürfte der Unterschied durch den neuen Steuersatz oft nur ein paar Cent ausmachen. Mehr bringt er bei großen Anschaffungen wie einer Waschmaschine - aber die können sich gerade lange nicht alle leisten.
Kritik gibt es, weil die niedrigere Mehrwertsteuer auch für Alkohol gilt. Das konterkariere alle Bemühungen, den Alkoholkonsum zu senken, sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Für Tabak gilt der neue Steuersatz nicht - was aber mit besonderen Steuerregeln für Zigaretten und Co zusammenhängt.
FÜR FAMILIEN
Familien bekommen in den kommenden Monaten einen Zuschlag aufs Kindergeld. Geplant ist ein Bonus von insgesamt 300 Euro pro Kind, der in zwei Raten im September und Oktober aufs Konto kommt. Das soll für alle Kinder gelten, die irgendwann in diesem Jahr Anspruch auf Kindergeld hatten oder haben - also auch solche, die erst im November geboren werden. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem „Dankeschön an Millionen von Familien mit Kindern“, die in der Krise besonders viel durchmachen müssten.
Der Zuschuss wird bei der Einkommensteuer mit den Kinderfreibeträgen verrechnet, aber nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Dadurch profitieren Geringverdiener stärker davon als Vielverdiener. Je höher das Einkommen der Eltern, desto weniger bleibt nach der Steuererklärung von der Extrazahlung übrig. In voller Höhe bleiben die 300 Euro nur dann, wenn verheiratete Eltern mit einem Kind nicht mehr als 67 800 Euro Jahreseinkommen haben. Ab etwa 85 900 Euro Einkommen haben die Eltern vom Kinderbonus gar nichts mehr.
Wie sinnvoll der Kinderbonus für die Wiederbelebung der Konjunktur ist, ist umstritten. Der Einzelhandelsverband HDE setzt darauf, dass die Familien die 300 Euro pro Kind zum Shoppen nutzen. Doch zugleich wird der Bonus als Trostpflaster kritisiert - Investitionen in Schulen und Kitas würden den Familien mehr helfen. „Familien, die täglich jeden Cent zwei Mal umdrehen müssen, bringt eine Einmalzahlung dauerhaft keine Verbesserung“, sagte Linke-Chefin Katja Kipping.
FÜR ALLEINERZIEHENDE
Alleinerziehende sind in der Corona-Zeit besonders belastet, weil sie kaum eine Möglichkeit haben, die Betreuung ihrer Kinder abzugeben. Viele können deshalb nicht wie gewohnt arbeiten und haben weniger Einkommen. Sie sollen nun zusätzlich Hilfe bekommen: der Entlastungsbetrag bei der Steuer wird in diesem und dem kommenden Jahr mehr als verdoppelt, von derzeit 1908 auf 4008 Euro. Diesen Betrag können Alleinerziehende bei der Steuererklärung von der Summe ihrer Einkünfte abziehen, so dass sie weniger Steuern zahlen. „Das ist eine reale Entlastung auf dem Konto und ein Zeichen der Anerkennung der Leistung von Alleinerziehenden“, erklärte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
FÜR FIRMEN
Kleine und mittelständische Firmen, die besonders von der Krise betroffen sind, sollen im Sommer Extra-Geld vom Staat bekommen. Es gehe darum, dass sie die nächsten Monate überlebten und noch dabei seien, wenn die Wirtschaft wieder wachse, sagte Scholz. Es geht vor allem um Restaurants, Kneipen, Schausteller, aber auch Jugendherbergen und Reisebüros. Erstattet wird ein Teil der Betriebskosten, insgesamt plant die Bundesregierung dafür 25 Milliarden Euro ein. Das werde helfen, den „Mittelstandsmotor“ wieder anspringen zu lassen, sagte Altmaier.
Außerdem sind mehrere steuerliche Erleichterungen geplant. So können Betriebe aktuelle krisenbedingte Verluste besser mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnen - das soll die Liquidität stärken. Damit Unternehmen gerade jetzt wieder investieren, will die Koalition Abschreibungsregeln verbessern.
„Das sind wichtige Impulse, die unsere Unternehmen dringend brauchen“, betonte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer. Gerade Schaustellern, Kneipenbesitzern, Reisebüros und Busunternehmen stehe das Wasser derzeit bis zum Hals. Ohne die Überbrückungshilfe würden sie unverschuldet ernsthaft in Gefahr geraten.
WEITERE SCHRITTE
Damit die neue Mehrwertsteuer ab 1. Juli gelten kann, muss das Gesetz im Eilverfahren beschlossen werden. Das soll in Sondersitzungen in Bundestag und Bundesrat am 29. Juni passieren.