Landtagswahl in Bayern CSU und SPD stürzen ab - Regiert Söder mit Freien Wählern?
Berlin · Verheerendes Wahldebakel für CSU und SPD: Die Bayern haben bei der Landtagswahl beiden alten Volksparteien zweistellige Verluste zugefügt und die politische Landschaft umgekrempelt.
Die jahrzehntelang dominierende CSU von Parteichef Horst Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder verliert ihre absolute Mehrheit und braucht nun einen Koalitionspartner. Die SPD mit Spitzenkandidatin Natascha Kohnen verzeichnet ihr bundesweit schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl und wird nur noch fünftstärkste Kraft. Die Grünen dagegen erzielen einen Bayern-Rekord. Die AfD zieht zweistellig ins Maximilianeum ein und ist jetzt in 15 von 16 Landtagen vertreten. Die FDP schafft nach fünf Jahren Abwesenheit ganz knapp den Einzug ins Parlament. Die Linke verfehlt die Fünf-Prozent-Hürde erneut.
Damit sind SPD und CSU als Regierungspartner von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geschwächt. Schon am Wahlabend zeichneten sich neue Reibereien in der ohnehin kriselnden Koalition ab. Vor der Landtagswahl in zwei Wochen in Hessen vermieden aber zunächst alle Seiten offene Personaldiskussionen und gegenseitige Attacken.
Nach der Auszählung aller Stimmkreise kommt die CSU mit einem Minus von gut zehn Prozentpunkten nur noch auf 37,2 Prozent - ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950. Sie holt aber 85 Direktmandate, die übrigen 6 gehen an die Grünen. Die SPD halbiert mit Verlusten von rund elf Punkten ihr Ergebnis von 2013 und landet bei 9,7 Prozent. Zweitstärkste Kraft werden die Grünen mit 17,5 Prozent - mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2013. Es folgen die Freien Wähler mit 11,6 Prozent und die AfD mit 10,2 Prozent. Die FDP springt mit 5,1 Prozent ganz knapp über die entscheidende Hürde. Die Linke scheitert mit 3,2 Prozent.
Daraus ergibt sich nach Berechnungen des ZDF folgende Sitzverteilung: CSU 78, SPD 20, Grüne 37, Freie Wähler 25, AfD 22 und FDP 10. Die Wahlbeteiligung liegt bei 72,4 Prozent (2013: 63,6).
Seit 1962 hatte die CSU Bayern mit Ausnahme der Wahlperiode 2008 bis 2013 allein regiert. Eine komfortable Mehrheit hätte jetzt eine schwarz-grüne Koalition. Die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze zeigte sich gesprächswillig: „Natürlich sind wir bereit, Verantwortung für dieses schöne Land zu übernehmen.“ Söder war jedoch skeptisch: „Inhaltlich sind die Grünen meilenweit entfernt.“ Er werde mit allen außer der AfD reden und strebe ein bürgerliches Bündnis an.
Nach den Hochrechnungen hätte eine Koalition mit den Freien Wählern eine Mehrheit. Deren Chef Hubert Aiwanger sagte am Abend, seine Partei werde machbare Vorschläge vorlegen. „Und ich bin überzeugt, die CSU wird anbeißen.“ Eine Dreierkoalition zusammen mit der FDP von Spitzenkandidat Martin Hagen hätte eine satte Mehrheit - wenn denn die FDP in den Landtag einzieht. Auch ein schwarz-rotes Bündnis wäre knapp möglich.
Söder sagte: „Das ist ein schmerzhafter Tag.“ Die CSU habe aber den klaren Regierungsauftrag erhalten. „Vom Bundestrend sich völlig abzukoppeln, ist nicht so leicht.“ Journalistenfragen nach der Verantwortung von Seehofer wich Söder aus. Dieser sagte im ZDF: „Natürlich habe ich als Parteivorsitzender auch Mitverantwortung für dieses Wahlergebnis.“ Über personelle Konsequenzen könne man gerne diskutieren. Für die Niederlage gebe es aber zahlreiche Ursachen - auch in München.
Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen sind die Gründe für den Absturz der CSU aber „primär hausgemacht“. Diese zeige bei Regierungsbilanz, Parteiansehen und Sachkompetenzen Defizite und habe „ein erhebliches Personalproblem“: „Neben einem schwach bewerteten Ministerpräsidenten steht in Bayern ein massiv kritisierter Parteichef.“ Einer ARD-Analyse zufolge verlor die CSU jeweils 180 000 Wähler an Grüne und AfD sowie 170 000 an die Freien Wähler. Diesen Verlust dämpfte der Hinzugewinn von 200 000 bisherigen Nichtwählern.
Auch die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles machte „die schlechte Performance der großen Koalition hier in Berlin“ mitverantwortlich für den Absturz in Bayern. „Es ist uns nicht gelungen, uns von dem Richtungsstreit in der CDU/CSU frei zu machen. Deswegen gab es auch keinen Rückenwind aus Berlin, im Gegenteil. Fest steht, das muss sich ändern.“
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hielt ebenfalls fest, „dass die Streitigkeiten der vergangenen Monate, insbesondere auch der Tonfall und der Stil, kein Rückenwind für die Wahlen in Bayern waren“. Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sprach von einem „grandiosen Erfolg“ seiner Partei.
Bei der Landtagswahl 2013 hatte die CSU mit 47,7 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit geholt. Dahinter landete die SPD mit 20,6 Prozent, gefolgt von Freien Wähler mit 9,0 und Grünen mit 8,6 Prozent. FDP und Linke scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde.
Söder hatte das Amt des Ministerpräsidenten erst im März von Seehofer übernommen. Vorausgegangen war ein heftiger interner Machtkampf, der sich nach dem schlechten Abschneiden der CSU (38,8 Prozent) bei der Bundestagswahl 2017 verschärfte. Seehofer behielt aber den CSU-Vorsitz und wechselte als Innenminister ins Kabinett Merkel.