Datenschutzbeauftragte wirft BND Gesetzesverstöße vor
Berlin (dpa) - Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff wirft dem deutschen Auslandsgeheimdienst BND schwerwiegende Rechtsverstöße vor. In einem geheimen Gutachten listet die CDU-Politikerin zahlreiche gravierende Mängel und Grundrechtseingriffe auf.
Unter anderem beanstandet sie, der Bundesnachrichtendienst (BND) habe ihre Kontrolle „rechtswidrig mehrfach massiv beschränkt“. Er habe ohne Rechtsgrundlage personenbezogene Daten erhoben und weiterverwendet sowie ohne Erlaubnis Dateien eingerichtet. Grüne und Linke sehen sich in ihren erheblichen Bedenken gegenüber der Arbeit des BND bestätigt.
Der Blog „Netzpolitik.org“ hatte Voßhoffs auf März 2016 datiertes Gutachten komplett ins Internet gestellt. Zuvor hatten WDR und NDR über das 60-seitige Papier berichtet.
Durch die Enthüllungen der Spähaktionen des US-Geheimdienstes NSA waren in den vergangenen Jahren nach und nach fragwürdige Praktiken des BND ans Licht gekommen. Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag arbeitet die Affäre seit mehr als zwei Jahren auf. Mitglieder des Gremiums beklagen seit langem ein heikles Eigenleben und Rechtsverstöße beim BND. Auch das Geheimdienst-Kontrollgremium des Parlaments warf dem BND zuletzt vor, er habe unrechtmäßig und nicht auftragskonform eine Vielzahl an Zielen in EU- und Nato-Staaten ausgeforscht, diplomatische Vertretungen intensiv ins Visier genommen und auch vor Staats- und Regierungschefs nicht Halt gemacht.
Die Bundesregierung hat inzwischen bereits interne Reformen beim BND angestoßen. Es gab personelle Konsequenzen bis hin zu einem Führungswechsel an der Spitze, eine gesetzliche Reform ist in Arbeit. Die schweren Vorwürfe Voßhoffs fallen nun mitten in diesen Prozess.
Regierungssprecher Steffen Seibert wollte sich am Freitag zu dem Vorgang nicht äußern. Bei der strategischen Fernmeldeaufklärung habe es schon früher unterschiedliche Rechtsauffassungen gegeben. Derzeit sei der Entwurf eines BND-Gesetzes im parlamentarischen Verfahren, das Klarstellungen und damit mehr Rechtssicherheit bringe.
Der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, distanzierte sich von Voßhoffs Kritik. „Wir müssen schon aufpassen, dass die Datenschutzbeauftragte nicht übers Ziel hinausschießt“, sagte er der „Saarbrücker Zeitung“ (Samstag). Ihr Bericht dürfe nicht dazu führen, „dass in einem Anflug von Aktionismus Maßnahmen ergriffen werden, die den Anti-Terror-Kampf beeinträchtigen könnten“. An manchen Stellen sei Voßhoffs Kritik aber durchaus berechtigt, was jedoch auch schon zu Konsequenzen geführt habe.
„Der BND hat meine Kontrolle rechtswidrig mehrfach massiv beschränkt. Eine umfassende, effiziente Kontrolle war mir daher nicht möglich“, schreibt Voßhoff. Insbesondere bei der Prüfung der umstrittenen Selektoren-Listen habe der BND blockiert. Selektoren sind etwa Telefonnummern oder Mailadressen, nach denen in Datenbanken gezielt gesucht wird.
Die Eingriffe verletzten das Grundrecht unbescholtener Bürger auf informationelle Selbstbestimmung. Der BND habe zudem „entgegen seiner ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung (...) Dateien ohne Dateianordnungen errichtet, (langjährig) genutzt und damit grundlegende Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nicht beachtet“. Es handele sich insgesamt um „schwerwiegende Rechtsverstöße“.
Voßhoff wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Gutachten äußern. Auch der BND kommentierte den Bericht auf Anfrage nicht. Der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, sagte im Deutschlandfunk, der BND habe eklatant gegen das Grundgesetz verstoßen. Der deutsche Auslandsgeheimdienst müsse sich von der Massenüberwachung verabschieden und auf den Kreis der Verdächtigen konzentrieren. Die Linke-Geheimdienstexpertin Martina Renner nannte Voßhoffs Befunde erschreckend.