Designierte EU-Kommissarin Bratusek gibt auf
Brüssel (dpa) - Stürmische Anhörungen im Europaparlament, jetzt der nächste Paukenschlag: Sloweniens Anwärterin Bratusek wirft das Handtuch. Das Europaparlament will aus Ljubljana wieder eine Kandidatin.
Nach ihrem Scheitern im Europaparlament will die Slowenin Alenka Bratusek nicht mehr EU-Kommissarin werden. Das teilte künftige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel mit. Nun wächst der Druck auf Sloweniens Regierungschef Miro Cerar, rasch einen neuen Anwärter nach Brüssel zu schicken. Das Europaparlament fordert wieder eine Frau.
„Ihre Entscheidung zeigt ihr Engagement für die Europäische Union, für Slowenien und für das demokratische Verfahren“, erklärte der christsoziale Juncker am Donnerstag. Mit ihrem Rücktritt helfe sie ihm, die Zusammensetzung seiner neuen Kommission abzuschließen, die am 1. November starten soll. Er sei im ständigen Kontakt mit Cerar und der Parlamentsführung, so Juncker.
Abgeordnete der Parlaments-Ausschüsse für Umwelt und Industrie hatten am Mittwoch mit großer Mehrheit die sozialliberale Bratusek zurückgewiesen. Sie war für den herausgehobenen Posten einer Vizepräsidentin für die europäischen Energieunion vorgesehen.
Schon nach dem Votum galt die frühere Regierungschefin Sloweniens als untragbar. Ihr wurde vorgeworfen, sich de facto selbst für das Brüsseler Amt nominiert zu haben. Die anderen 26 Kommissare der neuen Juncker-Kommission bestanden hingegen die Hearings im Parlament. Allerdings wurde der ungarische Kandidat Tibor Navracsics nicht für das Kulturressort bestätigt.
Die europäischen Sozialdemokraten sprachen sich schon vor dem offiziellen Rückzug Bratuseks dafür aus, nun die Europaabgeordnete Tanja Fajon für den Kommissarsposten zu benennen. Die Konservativen der Europäischen Volkspartei (EVP) wollen nur eine Frau mit Erfahrung akzeptieren. Die Sozialdemokratin Fajon würde diese Voraussetzung erfüllen. Die Regierung in Ljubljana hatte bereits zugesichert, sie wolle schnell eine neue Kandidatin vorschlagen.
Die Fraktionschefs der Volksvertretung verschoben ihr geplantes Treffen zur Bewertung der Anhörungen auf Anfang nächster Woche. Über den weiteren Zeitplan zur Ernennung der Juncker-Kommission gab es unterschiedliche Einschätzungen. Junckers Sprecher sagte: „Es gibt das Risiko einer Verzögerung.“
Aus Parlamentskreisen hieß es hingegen, der Termin 22. Oktober für die Abstimmung zur Juncker-Kommission sei zu halten, falls beim Ersatz von Bratusek keine Zeit vergeudet werde.
Die Sozialdemokraten erreichten nach eigenen Angaben von Juncker, dass Vizepräsident Frans Timmermans, der unter anderem für bessere Rechtssetzung verantwortlich ist, zusätzlich den neu geschaffenen Bereich nachhaltige Entwicklung übernimmt. Timmermans werde damit zum Klimagipfel reisen.
Das Parlament lässt bei der Zusammensetzung der EU-Kommission gerne die Muskeln spielen. Bei Junckers Amtsvorgänger José Manuel Barroso verhinderten Parlamentarier 2004 die Ernennung des Italieners Rocco Buttiglione und der Lettin Ingrida Udre. 2009 scheiterte die Bulgarin Rumjana Schelewa nach Kritik an ihrem privaten Finanzgebaren.