Deutsches Gesetz diskriminierend: „Zuwanderung wird ausgebremst“
Experten halten das deutsche Gesetz für diskriminierend. Es kämen nur Menschen, die es sich leisten könnten.
Düsseldorf. Die Europäische Kommission hat sich zum Recht auf Sozialleistungen für Zuwanderer geäußert. Was bedeutet das? Dorothee Frings, Sozialrechtsexpertin von der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, sagt: „Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass für Personen, die ihren Wohnort in Deutschland haben, das gleiche Recht in Bezug auf Sozialleistungen besteht. Das heißt aber nicht, dass jetzt jeder Hartz IV bekommen kann.“
Während der ersten drei Monate des Aufenthalts ist der Aufnahmestaat nach EU-Recht nicht verpflichtet, Zuwanderern Sozialhilfe zu gewähren. Danach gibt es nur Zahlungen, wenn ein Zuwanderer Arbeit gefunden hat, diese aber aufstocken muss oder verliert. Arbeitssuchende bekommen auch dann nichts.
Der Ausschluss arbeitssuchender EU-Bürger ist umstritten. „Deutschland versucht, mit Rechtsnormen das EU-Recht auszuhöhlen“, sagt Thomas Oberhäuser, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ausländer- und Asylrecht des Deutschen Anwaltvereins. Die Gleichbehandlung sei nicht gewährleistet. „Die Gerichte in Deutschland sind sich uneinig. Einige sprechen dem deutschen Gesetz Geltung zu, andere lehnen dies wegen Unvereinbarkeit mit dem EU-Recht ab“, erklärt Oberhäuser. Die Frage sei aber zunächst, was schwerer wiegt: Menschen vorübergehend zu Unrecht Geld zu zahlen — oder zu Unrecht kein Geld zu zahlen. Einige deutsche Sozialgerichte haben Betroffenen vorläufig Leistungen zugesprochen. Laut Frings habe die Bundesregierung auch „sehr leise“ eingeräumt, dass es Ansprüche geben könnte für Zuwanderer, die ernsthaft und seit mehr als drei Monaten Arbeit suchen.
Laut Oberhäuser wird eine zentrale europäische Idee, die Arbeitnehmerfreizügigkeit, sehr stark eingeschränkt. Wer nicht wisse, wie er sich während seiner Arbeitssuche finanzieren soll, würde sein Heimatland auch nicht verlassen. „Es hat einen Grund, warum es wenig Migration aus den wirtschaftlichen Problemstaaten in Südeuropa gibt“, glaubt Oberhäuser. Mit den deutschen Gesetzen kämen nur Menschen, die es sich leisten könnten, hierher. Das sei diskriminierend. Dabei bezieht laut Frings nicht einmal jeder zehnte Bulgare und Rumäne Hartz IV — „und die müssen größtenteils aufstocken, weil sie zwar arbeiten, aber zu wenig verdienen“.
Ohne Sozialleistungen haben Zuwanderer auch keinen Anspruch auf Beratung, kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband. Mit einem Anspruch könnten die Betroffenen in den Arbeitsmarkt integriert werden. „Arbeitssuchende könnte man mit Sprachkursen fördern“, sagt Frings. Das würde auch einer Slumbildung wie zum Beispiel in Duisburg entgegenwirken. „Slums entstehen, weil Zuwanderer kein Geld für andere Unterkünfte haben.“
Politiker fürchten Sozialtourismus. „Natürlich ist es angenehmer, nur die kommen zu lassen, die sofort finanzielle Vorteile bringen, Hochqualifizierte etwa“, so Frings. Zurzeit profitiere die Wirtschaft aber davon, dass Zuwanderer aus Not zu Hungerlöhnen als Scheinselbstständige etwa in Schlachthöfen oder als Tagelöhner arbeiteten.