Deutschland will nächsten Esa-Chef stellen
Paris/Köln (dpa) - Die Europäische Raumfahrtorganisation (Esa) sucht einen Nachfolger für ihren langjährigen französischen Chef. Deutschland beansprucht den Top-Posten für sich. Einen geeigneten Kandidaten gibt es bereits.
Nach Angaben aus Esa-Kreisen hat sich der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Johann-Dietrich Wörner (60), für den freiwerdenden Spitzenposten beworben. „Tatsächlich habe ich in Abstimmung mit der Bundesregierung meine Unterlagen eingereicht“, bestätigte er am Wochenende der dpa. „Deutschland als eine der führenden Raumfahrtnationen in Europa und starker Beitragszahler der Esa hat ein natürliches Interesse an der Leitung der Esa.“
Die Bundesregierung wollte sich zunächst nicht zum Thema äußern. Zu Personalfragen dieser Art gebe man keine Auskunft, sagte eine Sprecherin des zuständigen Wirtschaftsministeriums.
Die Wahl des neuen Esa-Generaldirektors durch Vertreter der Mitgliedstaaten der Organisation ist für Dezember geplant. Interessenten konnten sich zum 18. August bewerben, insgesamt sollen mehrere Hundert Unterlagen eingegangen sein. Derzeit ist der Franzose Jean-Jacques Dordain (68) Esa-Chef. Seine dritte und letzte Amtszeit läuft bis Juni 2015.
Die Stelle des Esa-Generaldirektors gilt als internationaler Topposten. Die Organisation mit einem Jahresbudget von rund vier Milliarden Euro steuert und koordiniert das komplette europäische Weltraumprogramm. An den unterschiedlichen Standorten wie Darmstadt, Köln, Noordwijk oder Frascati bei Rom sind mehr als 2200 Mitarbeiter beschäftigt.
Der 60 Jahre alte Wörner ist seit 2007 Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Zuvor war der studierte Bauingenieur unter anderem Präsident der Technischen Universität Darmstadt. Am dortigen Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen ist er noch heute Professor für Statik.
Zu den Unterstützern Wörners gehört unter anderem die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, Brigitte Zypries. „Wir möchten, dass der Nachfolger aus Deutschland kommt“, hatte die SPD-Politikerin bereits im Mai in einem Interview des „Tagesspiegel“ deutlich gemacht. „Herr Professor Wörner wäre ohne Zweifel hervorragend geeignet.“
Wie groß die Erfolgsaussichten von Wörners Kandidatur sind, ist nach Angaben aus Esa-Kreisen derzeit kaum abzuschätzen. Grund dafür ist unter anderem der bislang ungelöste deutsch-französische Streit um die Zukunft der europäischen Trägerrakete Ariane. Deutschland verweigert dabei einem von Frankreich geförderten Projekt für die Ariane 6 die Zustimmung.
„Wir haben frühzeitig gesagt, dass Sachfragen und Personalfragen voneinander getrennt werden müssen und ich gehe davon aus, dass alle Vertreter von Esa-Mitgliedstaaten so denken“, erklärte Wörner dazu. „Gleichwohl sind gewisse Wirkungen nicht automatisch auszuschließen.“
Bislang letzter deutscher Esa-Chef war Reimar Lüst. Der heute 91 Jahre alte Astrophysiker übte das Amt von 1984 bis 1990 aus, nachdem er zuvor unter anderem Vorsitzender des Wissenschaftsrats und Präsident der Max-Planck-Gesellschaft gewesen war. Nach ihm fielen bislang alle weiteren deutscher Bewerber durch.