Die AfD braucht dringend neue Flüchtlinge
Berlin. Alexander Gauland, Spitzenkandidat der AfD im Bundestagswahlkampf, ist Realist. Nach dem schwachen Ergebnis in Schleswig-Holstei analysierte der 76jährige, dass die TV-Bilder von Flüchtlingen verschwunden seien und mit ihnen die Wähler.
„Manche denken, wir brauchen nicht mehr so viel AfD, leider ist das so.“ Aber, so Zyniker Gauland weiter, das werde sich im Sommer auf dem Mittelmeer vielleicht wieder ändern. Außerdem „möchte ich mir gar nicht vorstellen, wenn es wieder terroristische Anschläge gibt“.
Die Not ist groß. Zwar schaffte die Partei zwölf Mal in Folge den Einzug in Landesparlamente, „von Null“, wie der Vorsitzende Jörg Meuthen am Sonntag stolz sagte. Aber neuerdings wird es immer knapper. Nur 6,2 Prozent lautete das Ergebnis im Saarland, noch weniger, 5,9 Prozent, waren es in Schleswig-Holstein. Jetzt geht die Angst um. Deutschlandweit liegt die AfD derzeit nur noch bei rund sieben Prozent. Ein Scheitern bei der Bundestagswahl im Herbst ist nicht mehr ausgeschlossen.
Im Norden war die Wahlbeteiligung höher als sonst, viele Nicht- und Protestwähler waren mobilisiert. Sonst immer eine Garantie für einen AfD-Erfolg. Doch diesmal gingen diese Stimmen überwiegend zur CDU (51.000), zur SPD (30.000) und sogar zur FDP (16.000). Die Rechtspopulisten landeten mit 11.000 nur auf Platz Vier. Nun zittern die Rechten in Nordrhein-Westfalen, wo mit Marcus Pretzell der Ehemann von Co-Parteichefin Frauke Petry die AfD am Sonntag in die Landtagswahl führt. Seit April ist sie in den Umfragen auf sechs bis acht Prozent abgerutscht.
Nicht nur das Fehlen neuer Flüchtlingsströme macht der AfD zu schaffen, auch ihr innerparteilicher Streit. Auf dem Parteitag Ende April in Köln war Petry entmachtet worden, was schon Wähler gekostet haben dürfte. Trotzdem gehen die Konflikte weiter. Das zeigte sich in der Reaktion auf die Wahl in Frankreich. Das Spektrum: Gemäßigte Landeschefs wie der Berliner Georg Pazderski kritisierten beide Präsidentschaftsbewerber, auch Marine Le Pen. „Beide machen mir Gänsehaut“. Bundestags-Spitzenkandidatin Alice Weidel fand die wirtschaftspolitischen Positionen der Front-National-Chefin „ultrasozialisistisch“, Meuthen wiederum hätte sie „mit starkem Bauchgrimmen“ gewählt. Sachsen-Anhalts Landesvorsitzender André Poggenburg vom rechtsnationalen Flügel schließlich gratulierte der französischen Rechtskandidatin überschwänglich für ihr „historisches Wahlergebnis“.
Auch der Umgang mit „Pegida“ ist ein altes Streitthema. Am Montag kam es in Dresden erstmals zu einer gemeinsamen Demonstration, die allerdings formal als zwei nebeneinander stattfindende Kundgebungen deklariert wurde. Bis September soll das nun wöchentlich so wiederholt werden. Petry, die dem Landesverband vorsteht, hatte ursprünglich einen Bundesvorstandsbeschluss erwirkt, dass AfD-Leute bei Pegida nicht auftreten. Der war im letzten Herbst bereits in einigen Gremien gekippt worden, die aktuelle Beschlusslage ist verworren.
Es gibt in Sachsen einige betont rechtsnationale Kreisverbände, nicht zuletzt in und um Dresden, die keine Berührungsängste haben. Dort hatte auch der Thüringer Landeschef Björn Höcke Anfang des Jahres seine umstrittene „Denkmal-der-Schande“-Rede gehalten, vor jubelndem AfD-Publikum. Woanders lehnt man gemeinsame Auftritte mit den „Gida“-Montagsdemonstranten strikt ab. Etwa in Berlin. Die meisten seien zwar besorgte Bürger, doch liefen bei „Bärgida“ auch Leute mit, die immer wieder Vorwände für eine negative Berichterstattung lieferten, meinte etwa der Berliner AfD-Landesparlamentarier Frank-Christian Hansel gegenüber unserer Redaktion. „Das ist für uns nur schädlich und bringt gar nichts“.