Die Angst vor einer neuen Gewaltspirale

Der Verfassungsschutz ist alarmiert. Rechts- und Linksextreme stacheln sich gegenseitig auf.

Berlin. Das Interview war wie eine Steilvorlage für den Bundesinnenminister: Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte just zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2010 am Freitag in Berlin seine tiefe Sorge über die Entwicklung des Linksextremismus geäußert: „Höchst alarmierend.“ Das Land stehe an der „Schwelle zum Linksterrorismus“.

Dabei belegen die Zahlen aus dem Berichtszeitraum eher das Gegenteil: Die Zahl der linksextremen Straftaten lag bei 3747 — das ist gleich bedeutend mit einem Rückgang um rund 25 Prozent. Doch in den ersten fünf Monaten dieses Jahres sei die den Linksextremisten zugerechnete Verbrechensquote auf ein neues Rekordniveau gestiegen.

Genaue Zahlen konnten weder Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) noch Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm nennen. Aber schon die Zahl der dem Linksextremismus zuzurechnenden Personen stieg um 600 auf 32 000 an.

Friedrich plagt eine böse Ahnung: Er warnte vor einer Gewaltspirale zwischen linksextremen Autonomen und rechtsextremen Skinheads. Zwar sei auch die Zahl der Rechtsextremisten begangenen Taten um 15 Prozent zurückgegangen. Auch die Zahl der Anhänger am rechten Rand sank mit 25 000 (Vorjahr 26 600). Dagegen stieg die Zahl der Personen, die der Neonazi-Szene zuzuordnen ist, von 5000 (2009) auf 5600.

Das bereitet den Verfassungsschützern erhebliche Bauchschmerzen. In Teilen der Neonazi-Szene sei ein erhebliches Anwachsen der Gewaltbereitschaft festzustellen — besonders, wenn es um das Aufeinandertreffen mit den Linksextremisten geht.

Ein anderes Beobachtungsfeld waren die islamistisch-terroristischen Bestrebungen auf deutschem Staatsgebiet. Es gebe, so der Bericht, eine „hohe Dichte von Anschlagshinweisen“. Seit Mitte 2010 gebe es Informationen, dass die Al-Kaida-Anschläge in den USA, Europa und auch Deutschland begehen werde.

Zum Jahreswechsel 2011 waren die Hinweise so konkret, dass der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine verstärkte Polizei-Präsenz an Flughäfen, Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen anordnete.

In dem Verfassungsschutzbericht ist von „intensiver Gefährdung“ durch islamistische Terroristen die Rede. Für diese ist inzwischen das Internet zum wichtigsten Kommunikationsmedium geworden. Insgesamt gibt es in Deutschland über 37 000 Islamisten in 29 Vereinen. Sie werben vor allem bei Jugendlichen dafür, dass die Scharia in Deutschland durchgesetzt wird.