Untersuchung Die Deutschen werden immer ängstlicher
Furcht vor Terror, Flüchtlingen und Kriege auf Rekordniveau - Ost-Deutschland und Hessen belegen in diesem Ranking vordere Plätze.
Berlin. Seit 25 Jahren werden im Auftrag der "R+V Versicherung" alljährlich die Sorgen und Nöte von 2500 zufällig ausgewählten Bundesbürgern erfragt, doch so ein Ergebnis wie 2016 gab es noch nie. Um zehn Prozentpunkte schnellte der Angstindex nach oben, und zwar in fast allen Kategorien. Er erreichte 49 Punkte, fast so viel wie in den Jahren der Rekordarbeitslosigkeit und der Finanzkrise. Der Terrorismus liegt jetzt mit Abstand auf Platz eins der Sorgen.
73 Prozent der Befragten fürchten sich vor Anschlägen, ein Plus von 21 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Dieses Niveau wurde bisher nie erreicht, auch nicht nach den Angriffen in New York zu Beginn des Jahrtausends. Damals waren es maximal 58 Prozent. Offenbar gibt es seit Paris und Brüssel den Eindruck, dass die Gefahr näher rückt. Die Angst vor politischem Extremismus liegt auf Platz zwei mit 68 Prozent (plus 19 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr) und die vor Spannungen durch den Zuzug von Ausländern mit 67 Prozent (plus 18) auf Platz drei. Das Ganze korrespondiert mit einem großen Vertrauensverlust in die Politik.
66 Prozent halten die Behörden mit dem Flüchtlingszustrom für überfordert (plus 16 Prozent), 65 die Politik generell (plus 17 Prozent). Das ist umso schlimmer, als auch die Kriegsangst um 13 Prozentpunkte zugenommen hat, auf jetzt 54 Prozent.
Bei den ökonomischen Angstfaktoren zeigt der Trend erstaunlicherweise ebenfalls nach oben. Die Forscher erklären sich das damit, dass die Angst vor Terror und "Kontrollverlust" durch die Flüchtlinge auf das allgemeine Lebensgefühl ausgestrahlt hat. 52 Prozent fürchten trotz bester Wirtschaftslage eine Krise (plus zwölf Prozent) und 38 Prozent (plus sechs) trotz der Beschäftigungsrekorde die eigene Arbeitslosigkeit.
Vor Straftaten haben hingegen nur 30 Prozent Angst (plus vier Prozentpunkte), obwohl die Einbruchsstatistik nach oben geschnellt ist. Nur bei Naturkatastrophen gab es einen Rückgang um einen Prozentpunkt auf 52 Prozent - die Umfrage wurde im April/Mai durchgeführt, vor den Überschwemmungen dieses Jahres. Die Sorge um den Euro stagniert bei 49 Prozent. Insgesamt liegen die Ängste vor externen Bedrohungen deutlich vor den persönlichen Sorgen. Am wenigsten bekümmert die Deutschen das mögliche Zerbrechen ihrer Partnerschaft (21 Prozent, plus sechs).
Es gibt einige regionale Unterschiede. Zwar haben sich Ost und West im Lauf der Jahre sehr stark angeglichen und liegen jetzt beim Gesamtindex fast gleichauf. Dahinter verbergen sich aber Bewegungen. So sind im Durchschnitt der letzten fünf Jahre Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt die ängstlichsten Länder. In diesem Jahr allerdings liegt Hessen mit einem Index von 59 an der Spitze, ein Plus von 25 Punkten.
Nirgendwo haben die Ängste so zugenommen. Auch Rheinland-Pfalz und das Saarland verzeichnen einen Zuwachs um 18 Punkte, liegen aber 2016 damit immer noch Mittelfeld. Im langjährigen Vergleich gehören diese beiden Länder neben Berlin zu den angstfreiesten in Deutschland.