Die Grünen üben den Atom-Spagat
Suche nach dem Weg zwischen Öko-Purismus und Realpolitik.
Berlin. Die Grünen geben sich alle Mühe, den Atomausstieg auf die eigenen Fahnen zu schreiben. Doch Grund zur Erleichterung gibt es eigentlich nicht. Die Partei muss dieser Tage einen Spagat bewältigen, der einer schmerzhaften Verrenkung gleichkommt: Die Grünen müssen sich in irgendeiner Weise auf das Regierungskonzept zum Atomausstieg einlassen und zugleich das Image der Umweltpartei bewahren.
Zwar fällt es der traditionellen Öko-Partei nicht schwer, mit Kritik am schwarz-gelben Ausstiegskonzept aufzuwarten. Das Konzept von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei ein Kompromiss, „der den Ausstieg unnötig in die Länge zieht“, moniert Fraktionschef Jürgen Trittin.
„Wir erwarten, dass für jedes einzelne Atomkraftwerk ein realistischer Abschaltplan vorgelegt wird“, betont Parteichefin Claudia Roth. Doch ist die Grünen-Spitze erkennbar bemüht, das schwarz-gelbe Konzept vom rot-grünen Atomkonsens aus dem Jahr 2000 abzugrenzen. Trittin: „Unser Konzept war ein stufenweiser und kontinuierlicher Ausstieg.“
Trittin zieht damit die Trennungslinie zum schwarz-gelben Konzept, demzufolge alle derzeit noch in Betrieb befindlichen Meiler erst 2021 und 2022 abgeschaltet werden sollen. Doch es gibt eben auch Parallelen: Gemeinsam ist beiden Konzepten, dass von einer rechnerischen Gesamtlaufzeit pro Atomkraftwerk von 32 Jahren ausgegangen wird.
So können es sich die Grünen jetzt schwerlich leisten, auf Total-Opposition zu schalten. Denn dann bestünde die Gefahr, dass sie zu „Nein-Sagern“ abgestempelt würden, analysiert der Parteienforscher Oskar Niedermayer.
Auf der anderen Seite sieht er die Gefahr, dass das Image der Partei bei allzuviel Kompromissbereitschaft in der Atomfrage verschwimmt. Denn Özdemir gibt zwar selbstbewusst die Parole aus: „Wir sind die Anti-Atomkraft-Bewegung schlechthin.“ Doch das täuscht nicht darüber hinweg, dass die Grünen für manch eingefleischten Öko-Aktivisten inzwischen zu kompromisslerisch sind.
Wegen des Dilemmas zwischen altem Öko-Anspruch und neuer Realpolitik führt nach Niedermayers Ansicht für die Grünen kein Weg am Lavieren vorbei: „Es gibt zu diesem ‘Sowohl als Auch’ keine Alternative.“