Die teuren Tricks der Zahnärzte
Für Patienten werden Behandlungen oft teurer als nötig. Eine Journalistin hat diese Missstände nun aufgedeckt.
Düsseldorf. Viele Menschen scheuen den Zahnarztbesuch, sind damit doch häufig Schmerzen verbunden. Neuerdings kommen auf den Patienten aber auch immer höhere Kosten zu. Gerade in der Zahnmedizin ist die Zahl der Eigenleistungen des Versicherten stark gestiegen.
„In der Branche ist die Tendenz zur Kommerzialisierung klar erkennbar“, sagt Medizinjournalistin und Autorin unserer Zeitung Tanja Wolf. Die Expertin hat ein Jahr in der Szene recherchiert und ist auf eklatante Missstände gestoßen, die sie jetzt in dem Buch „Murks im Mund“ zusammengefasst hat.
Hier zwei Beispiele, die sie recherchiert hat: Ein Patient benötigt eigentlich nur eine Wurzelkanalbehandlung und eine neue Brücke. Sein Zahnarzt schlägt ihm aber zusätzlich 17 Kronen vor. Die Kosten sollen sich auf 19 000 Euro belaufen. Der Patient bittet daraufhin einen weiteren Mediziner um eine zweite Meinung. Dieser hält nur eine zusätzliche Krone für nötig — Kosten: 3400 Euro.
Eine Patientin lässt sich wegen Zahnarzt-Angst in Vollnarkose behandeln und hat, als sie aufwacht, nicht wie gedacht vier, sondern elf Zähne weniger. Bei den folgenden Gerichtsverhandlungen erhält der Mediziner ein Berufsverbot und wird wegen Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er legt aber erfolgreich Revision ein.
Die Mehrzahl der Fälle ist zwar nicht so spektakulär, aber für den Einzelnen kann es um hohe Summen gehen. „Die Leistungen, die Kassen zahlen, sind nicht automatisch die Schlechtesten“, so Wolf. So sei beispielsweise nicht in jedem Fall ein Implantat die sinnvollste Lösung. Manchmal sei auch eine Brücke eine gute Wahl.
Ein Problem ist für Wolf zudem, dass man sich im Vergleich zur Medizin erst spät um systematische wissenschaftliche Nachweise kümmerte. „Bestes Beispiel dafür ist die Implantologie. Sie ist seit 1982 als gesicherte Therapieform anerkannt. Aber erst 2010 machte die führende Fachgesellschaft Misserfolge offiziell zum Thema und begann mit der Entwicklung von Leitlinien“, so die Medizinjournalistin. Vorher hieß es: „Learning by doing“.
Laut Schätzungen der Hersteller werden übrigens jährlich rund eine Million Implantate gesetzt. Genaue Zahlen über den Missbrauch der Behandlungsspielräume gibt es nicht. „Viele Statistiken sind nicht aussagekräftig, und die Anzahl und Art der Sanktionen durch die Standesvertretungen werden nicht veröffentlicht“, so die Expertin.
Wolf stellt jedoch klar, dass nicht automatisch alle Zahnärzte schlecht seien. „Es gibt gute Mediziner, aber auch schwarze Schafe“, sagt sie. In der Ärzteschaft gäbe es zudem Stimmen, die sich für mehr Kontrollmechanismen einsetzen würden. Den Patienten rät sie, selbstbewusst zu sein und nicht automatisch davon auszugehen, dass das, was der Arzt sagt, schon seine Richtigkeit haben wird.