Ein Ausstieg aus der Armut wird immer schwerer
Berlin (dpa) - Einmal arm - immer arm? Der neue Sozialbericht belegt, dass der Volksmund mit dieser Befürchtung richtig liegt. Die Autoren zeigen auch: Wer reich und gebildet ist, lebt gesünder und länger.
Zugleich gelingt es immer mehr Wohlhabenden, ihre einmal erreichten Spitzeneinkommen auch dauerhaft zu sichern. Dies belegt der „Datenreport 2011 - Sozialbericht für Deutschland“, der vom Statistischen Bundesamt gemeinsam mit namhaften Sozialforschern herausgegeben wird.
„Der Satz: "Einmal arm, immer arm" gilt. Die soziale Mobilität in Deutschland nimmt ab“, sagte die Soziologin Jutta Allmendinger bei der Präsentation des Berichtes am Dienstag in Berlin. Mit ihrem umfangreichen Zahlenwerk aus amtlichen Daten und jüngstem Mikrozensus („kleine Volkszählung“) zeigen die Autoren einen engen Zusammenhang zwischen Bildung, Erwerbsarbeit und Einkommen sowie Gesundheit und Lebenserwartung auf: Wer gut gebildet und vermögend ist, klagt auch viel seltener über Krankheiten und lebt im Schnitt bis zu zehn Jahre länger.
15,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland galten laut Bericht 2009/2008 als „armutsgefährdet“. Im Jahr zuvor waren es noch 15,2 Prozent. Als „armutsgefährdet“ wird bezeichnet, wer einschließlich Sozialleistungen und Mietbeihilfen weniger als 929 Euro im Monat zur Verfügung hat. Dabei gilt: Mit steigendem Bildungsniveau sinkt das Risiko, in Armut abzugleiten. Von denjenigen in Deutschland, die über keinen oder lediglich über den Hauptschulabschluss verfügen, sind dem Bericht zufolge 23,2 Prozent „armutsgefährdet“. Besonders häufig betroffen sind Alleinerziehende (37,5 Prozent).
Fast jeder dritte Armutsgefährdete (30 Prozent) war eigenen Angaben zufolge nicht in der Lage, zumindest jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit zu bekommen. 16 Prozent klagten darüber, ihre Wohnung nicht angemessen warm halten zu können, berichtete der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler.
Zugleich gelingt es immer weniger Menschen, der Armut wieder zu entrinnen. Während in den 80er Jahren 57 Prozent der Betroffenen auch dauerhaft im untersten Einkommensbereich der Gesellschaft verharrten, sind es heute 65 Prozent. „Das heißt, weniger Menschen gelingt es, ihre Einkommenssituation wieder zu verbessern“, erläuterte der Sozialforscher Roland Habich vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).
Dagegen sind für Reiche im gleichen Zeitraum die Chancen gestiegen, ihre Spitzeneinkommen und den einmal erreichten Wohlstand auch dauerhaft zu sichern - und zwar von 38 Prozent in den 80er Jahren auf heute 51 Prozent.
Während die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ab 15 Jahren (50 Prozent) 2010 ihren Lebensunterhalt überwiegend aus eigener Erwerbstätigkeit finanzierte, waren 8 Prozent auf Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Hartz IV oder Bafög angewiesen. Laut dem Mikrozensus, der für Statistiker wie Sozialwissenschaftler als „kleine Volkszählung“ gilt, lebten 27 Prozent primär von Renten, Pensionen oder eigenem Vermögen. 15 Prozent wurden hauptsächlich von Angehörigen unterstützt.
Dabei finanzieren immer mehr Frauen heute ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit selbst. 2010 waren dies im Westen 42 Prozent, im Osten 45 Prozent. Zehn Jahre zuvor lagen diese Quoten noch bei 38 Prozent (West) und 41 Prozent (Ost). 2009 waren bereits über die Hälfte (51 Prozent) der erfolgreichen Hochschulabsolventen Frauen.