Eklat im NSU-Ausschuss

Berlin (dpa) - Turbulente Sitzung im NSU-Ausschuss: Der Innenstaatssekretär und langjährige Verfassungsschützer Klaus-Dieter Fritsche verteidigt Regierung und Sicherheitsbehörden - und wirft anderen Skandalisierung und Durchstechereien vor.

Das sorgt für Ärger.

Bei seiner Befragung am Donnerstag wies Fritsche Vorwürfe gegen Sicherheitsbehörden und Regierung bei der Aufklärung der Neonazi-Mordserie vehement zurück und beklagte stattdessen die Preisgabe vertraulicher Informationen an die Medien. Die Parlamentarier reagierten verärgert. Die Sitzung wurde zwischenzeitlich unterbrochen.

Fritsche war von 1996 bis 2005 Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz und anschließend Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt. Seit 2009 ist er Staatssekretär im Innenressort. Fritsche arbeitete damit über Jahre an zentralen Stellen für den Fall der rechtsextremen Terrorzelle NSU - von der Zeit, als das Trio Ende der 90er Jahre untertauchte, über die Zeit der Verbrechen bis zur Aufarbeitung nach dem Auffliegen der Gruppe im November 2011.

Im NSU-Ausschuss warnte Fritsche vor einer Skandalisierung in der Debatte und vor pauschalen Urteilen wegen der bekannt gewordenen Ermittlungspannen. Die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden seien weder auf dem einen noch auf dem anderen Auge blind. Man dürfe nicht den gesamten Berufsstand von Polizisten und Verfassungsschützern mit Hohn oder Spott überziehen, mahnte er.

Skandalös und gefährlich sei auch die Unterstellung, staatliche Stellen versuchten zu vertuschen. Die Regierung habe bislang umfassend kooperiert und sei dabei zum Teil über verfassungsrechtliche Vorgaben hinausgegangen.

Fritsche betonte aber, es gebe Grenzen für die Weitergabe von Informationen. Die Namen von V-Leuten zum Beispiel müssten unter Verschluss bleiben. Hier gehe es um Staatswohl und Quellenschutz. Zwischenfragen von Abgeordneten lehnte er zu Beginn ab.

Die Abgeordneten beklagten, Fritsches Ausführungen gingen an der Sache vorbei. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) kritisierte, der Staatssekretär habe sich lange mit einem „Vortrag in allgemeiner Staatsbürgerkunde“ und allgemeinen Vorwürfen aufgehalten. Der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland sagte, der Zeuge sei zu Beginn ziemlich „auf Krawall gebürstet“ gewesen. Nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung glätteten sich die Wogen aber wieder.

Fritsche verteidigte im Ausschuss auch das Vorgehen des Innenressorts mit Blick auf die Vernichtung sensibler Akten. Dass das Ministerium erst Mitte Juli 2012 einen Schredderstopp verfügt habe, sei richtig gewesen. Vorher habe das Haus dazu keinen Anlass gesehen.

Ein Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz hatte wenige Tage nach dem Auffliegen der Terrorzelle am 4. November 2011 Unterlagen mit sensiblen Informationen vernichten lassen. Das wurde jedoch erst Ende Juni 2012 bekannt. Fritsche sprach von einem individuellen Fehlverhalten, das die ganze Behörde in Verruf gebracht habe.

Die Schredderaktion hatte im Sommer für großen Wirbel gesorgt und den damaligen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, dazu bewegt, vorzeitig seinen Posten zu räumen. Inzwischen gibt es Hinweise, dass bei der Behörde nach dem 4. November 2011 noch mehr Akten geschreddert wurden als bislang bekannt.

Die SPD-Obfrau Eva Högl bezeichnete den späten Schredderstopp als schweren Fehler. Auch die Linke-Obfrau Petra Pau kritisierte das Vorgehen. Pau sagte, sie sei außerdem erschrocken, dass Fritsche keinerlei Versäumnisse einräume. Dabei habe er selbst noch 2003 - als damaliger Verfassungsschützer - die Existenz rechtsterroristischer Strukturen abgestritten.

Die Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds waren über Jahre mordend und raubend durch Deutschland gezogen. Die Ermittler erkannten den rechtsextremen Hintergrund der Taten lange nicht.