Energiekonzern RWE klagt gegen AKW-Abschaltung

Berlin (dpa) - Die Kehrtwende der Bundesregierung in der Atompolitik kommt vor Gericht: Der Energiekonzern RWE wird Klage einreichen gegen die vorübergehende Abschaltung von Biblis A.

Dies werde am Freitag beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel geschehen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstagabend aus dem Umfeld des Unternehmens. Nach Einschätzung von Experten hat RWE gute Chancen, da die Begründung für die zwangsweise Abschaltung der sieben ältesten Meiler im Rahmen des Moratoriums auf wackligen Füßen stehe.

Mit der Wendung vom Abend gerieten die angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung bei der Überprüfung der AKW fast in den Hintergrund. Geprüft werden soll, wie sich etwa ein Terroranschlag in Form eines Flugzeugabsturzes aller gängigen Passagier- und Militärmaschinen auswirke, sagte der Vorsitzende der Reaktorsicherheitskommission (RSK), Rudolf Wieland, in Berlin.

Gerade die ältesten Meiler sind hier unzureichend geschützt. Sollte eine entsprechende Nachrüstung eingefordert werden, könnte wegen der hohen Kosten ein Abschalten der ältesten Atomkraftwerke anstehen. Die RSK ist für die Organisation der AKW-Checks zuständig.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) kündigte bei der gemeinsamen Präsentation des Prüfkatalogs in Berlin entsprechende Untersuchungen der 17 deutschen AKW an. Der Minister strebt bis Mitte Juni einen neuen Atomkonsens mit allen Parteien und der Wirtschaft an. Die Experten sollen bis zum 15. Mai einen Bericht vorlegen, der Grundlage für die politische Entscheidung ist. Röttgen sprach mit Blick auf den Stresstest von einem „weltweit führenden Niveau“.

Die RWE-Klage bringt die Bundesregierung unter Druck. Sollte der Konzern Recht bekommen, stünde das ganze Moratorium auf der Kippe. In Konzernkreisen hieß es, man sei schon aus aktienrechtlichen Gründen zu der Klage verpflichtet. Zugleich wurde betont, dass man die Sicherheitsüberprüfung an sich begrüße. Ein RWE-Sprecher wollte die Klage nicht kommentieren und verwies auf eine Mitteilung am Freitagmorgen.

Für das benachbarte AKW Biblis B wurde keine Klage eingereicht, da es ohnehin wegen einer Revision stillstand und eine Anweisung der hessischen Atomaufsicht zum Abschalten daher nur für Biblis A erging.

Der Energiekonzern Eon will im Gegensatz zum Konkurrenten RWE nicht juristisch gegen das Atom-Moratorium der Bundesregierung vorgehen. Das kündigte das Unternehmen in Düsseldorf an.

Die Regierung hatte die Stilllegung der sieben ältesten AKW mit Verweis auf Paragraf 19, Absatz 3 des Atomgesetzes angeordnet. Danach kann die Stilllegung eines Kernkraftwerks verlangt werden, wenn Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter bestehen. Röttgen hatte die Anwendung als vorsorgende Maßnahme nach den Ereignissen in Japan begründet.

RWE-Chef Jürgen Großmann hatte wiederholt argumentiert, dass die deutschen Anlagen auf einem sehr sicheren Stand seien, daran habe sich auch durch die Katastrophe in Fukushima nichts geändert.

Biblis A könnte aber trotz eines Klageerfolgs der anstehenden Sicherheitsüberprüfung zum Opfer fallen, da der Schutz gegen die Folgen von Flugzeugabstürzen als nicht ausreichend gilt. Viele der älteren Meiler haben nur dünne Betonhüllen. Die Opposition spricht von einem Täuschungsmanöver von Umweltminister Röttgen. Die Risiken seien bekannt. SPD und Grüne haben Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht, die die sofortige Abschaltung der sieben ältesten AKW sowie des Reaktors Krümmel in Schleswig-Holstein vorsehen.

Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Der Katalog der Reaktorsicherheitskommission ist eine gute Grundlage. Damit kann Isar 1 kaum mehr ans Netz gehen.“

SPD-Chef Sigmar Gabriel bemängelte, Röttgen blende die inneren Gefahren der AKW aus. Die äußeren Risiken seien seit Jahren bekannt. „Wir wissen, dass sie gegen einen Flugzeugabsturz nicht sicher sind.“

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte mit Blick auf eine sofortige Abschaltung: „Das wäre etwas anderes, als auf Zeit zu spielen.“ Grünen-Chefin Claudia Roth sprach im „Hamburger Abendblatt“ vom „reinen Placebo“. Linke-Chef Klaus Ernst forderte Gespräche über die Parteigrenzen hinweg zur dauerhaften Lösung der Atomfrage.