Erzieherinnen wollen mehr Wertschätzung

So sehen es laut einer Studie 2400 befragte Kita-Leitungen. Auch Kinderarmut sei ein wachsendes Problem.

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Düsseldorf. Zu wenig Unterstützung aus der Politik, zu wenig Wertschätzung ihres Berufs in der Gesellschaft: Dies beklagen laut einer repräsentativen Studie des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) NRW gut 80 Prozent von über 2400 bundesweit befragten Kita-Leitungen. Bleibt der Beruf der Erzieherin mit 95 Prozent Frauenanteil eine klassisch weiblich Domäne, leidet er unter einem Imageproblem, sagt der Sozialwissenschaftler Prof. Ralf Haderlein, der am Mittwoch bei der Vorstellung der Studie im Rahmen des Deutschen Kitaleitungskongresses in Düsseldorf zu Gast war: So hielten sich hartnäckig Vorurteile über das Berufsbild der Erzieherin, die in der öffentlichen Wahrnehmung häufig auf die Rolle der „Spiel- und Basteltanten“ reduziert würden. „Dass Bildung ein Mittelpunkt in jeder Kita geworden ist, spiegelt sich in der Gesellschaft nicht wider“, kritisiert Haderlein.

Von der Politik im Stich gelassen fühlen sich die Kita-Leitungen vor allem im Hinblick auf die wachsenden Herausforderungen im Alltag wie beim Umgang mit Kinderarmut — ein Problem, das über der Hälfte der Befragten unter den Nägeln brennt. Ein Viertel der Kita-Leitungen fühlt sich zudem unzureichend über Hilfsangebote für arme Familien informiert. Hier sieht Stefan Behlau, Landesvorsitzender des VBE NRW, dringend Handlungsbedarf: „Zum einen müssen entsprechende Hilfsangebote einfach zugänglich zur Verfügung gestellt werden, zum anderen müssen aber auch dringend die notwendigen Bedingungen her.“ Ein Problem sei dabei die „oft geringe Leitungszeit“, in der Fortbildungen häufig nicht einkalkuliert seien.

Barbara Nolte sind diese Probleme nur all zu vertraut. Die 55-jährige Kitaleiterin aus Hövelhof im Kreis Paderborn hat in ihren 31 Berufsjahren eine Veränderung festgestellt: „Die Kinderarmut nimmt zu“, berichtet sie. Die ehrenamtliche VBE-Referatsleiterin für den Bereich Erziehung hört auch immer wieder von ihren Kollegen: „Immer mehr Kitas sorgen für Frühstück, weil viele Kinder nie etwas zu essen mit haben.“ So kompensierten die Kitas zunehmend Missstände, wo die Politik gefordert wäre und schafften „niederschwellige Angebote“, indem sie beispielsweise Flohmärkte organisierten. „Viele Familien suchen Orte, wo sie gut und günstig Kleidung kaufen können.“ Auch „Mitnahmeschränke“ für aussortierte Bücher würden in vielen Kitas zusätzlich angeboten.

Neben mangelnder Anerkennung sei auch der wachssende Fachkräftemangel für die Kitas ein Problem. Bis zum Jahr 2025 fehlen laut VBE bundesweit rund 300 000 Beschäftigte in den Kitas — etwa ein Viertel davon in NRW. Aktuell arbeiten den Angaben zufolge 700.000 Angestellte in deutschen Kitas. Haderlein beziffert den Mehrbedarf für die Angleichung der deutschen Kita-Verhältnisse auf bis zu zehn Milliarden Euro jährlich.

„Die Fachkraft-Kind-Schlüssel sind in einem Großteil der Bundesländer absolut unzureichend und entsprechen bei weitem nicht den wissenschaftlich anerkannten Mindestverhältnissen von 1:7,5 für über dreijährige und 1:3 für unter dreijährige Kinder“, heißt es in der Studie. Brachliegendes Potenzial bei den Kitas sieht Stefan Behlau außerdem im Bereich der Integration: „Kitas wären ein großartiger Integrationsmotor. Frühe Sprachförderung und soziale Integration sind möglich. Leider wird diese Chance bisher nicht richtig genutzt.“

Beim Deutschen Kitaleitungskongress in Düsseldorf tauschten sich nach Angaben der Veranstalter über 3000 Teilnehmer und rund 50 Referenten über die Arbeit in den Kitas aus. Die Studie über ihre Situation wird jährlich erhoben.