Europa will Führungsrolle beim Klimaschutz

Brüssel (dpa) - Europa beansprucht für sich eine globale Führungsrolle in der Klimapolitik - auch wenn es hinter früheren ambitionierten Zielen zurückbleibt.

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Die 28 EU-Staaten einigten sich beim Gipfel in Brüssel nach zähen Verhandlungen auf drei langfristige Vorgaben für das Jahr 2030 beim Klimakiller Kohlendioxid sowie bei Energiesparen und Ökoenergie-Anteil.

Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid soll im Vergleich zu 1990 verbindlich um mindestens 40 Prozent sinken. Damit verdoppele Europa seine Anstrengungen, betonte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso am frühen Freitagmorgen. Von Umweltschützern kam massive Kritik, die Ziele seien zu lasch.

Eine europäische Klima-Einigung galt als Voraussetzung für einen Erfolg des Weltklimagipfels Ende 2015 in Paris. Zuvor müssen die Teilnehmer wie die USA und China ihre Positionen festlegen. EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard verteidigte das Klimapaket als ehrgeizig. „Sich auf 40 Prozent festzulegen, ohne Gewissheit, was unsere Wettbewerber tun, das ist kein kleiner Schritt, sondern ein großer“, sagte Hedegaard der Deutschen Presse-Agentur. „Ich hoffe wirklich, dass Peking und Washington dieses Signal wahrnehmen.“

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, ließ mitteilen, Europa sei Vorreiter und setze „neue Standards für die Klimaanstrengungen für alle Länder“.

Allerdings waren die Zahlen am Ende niedriger, als von EU-Kommissarin Hedegaard vorgeschlagen und von Deutschland gefordert. So setzt sich die EU beim Anteil der Ökoenergien aus Sonne oder Windkraft ein Ziel von mindestens 27 Prozent verpflichtend auf EU-Ebene. Beim Energieeinsparen soll der Wert von ebenfalls 27 Prozent unverbindlich auf EU-Level sein - nationale Unterziele soll es nicht geben. Bei beiden hatten die Deutschen einen Wert von 30 Prozent gefordert.

Deutschland werde bei dem Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien zu steigern, „definitiv mehr machen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Schon jetzt liege die Bundesrepublik bei 25 Prozent. „Wir hätten uns hier ein höheres Ziel vorstellen können“, räumte Merkel ein.

Die Verhandlungen waren äußerst zäh und dauerten bis in den frühen Morgen. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann lobte das Ergebnis, als „ein gutes Zeichen, weil die Positionen waren so weit auseinander wie Nord und Süd“. Der französische Staatspräsident François Hollande sprach von einer „guten Vereinbarung“. Hollande und Merkel hatten in kleinen Runden über Stunden für den Gipfel-Kompromiss gekämpft.

Kritik kam von der Industrie, aber auch von Umweltschützern. Der Bundesverband der Deutschen Industrie BDI warnte vor allzu strengen Auflagen. Die Politik dürfe Unternehmen keine neuen Klimalasten aufbürden, „die internationale Wettbewerber nicht zu tragen haben“.

Die klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, Annalena Baerbock, sprach im Kurznachrichtendienst Twitter von einem schwarzen Tag für den Klimaschutz. Die Naturschutzorganisation WWF kritisierte, Europa sei „vom Vorreiter zur lahmen Ente“ geworden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bemängelte, Europa hätte seine Emissionen bis 2030 um mindestens 60 Prozent reduzieren müssen, um einen Beitrag zur Verhinderung der globalen Erwärmung über zwei Grad zu leisten.

Die EU-Staaten mussten auf Druck von Großbritannien und Polen, die sich gegen höhere Einsparziele wehrten, Zugeständnisse machen. So bekommen wirtschaftlich schwächere Länder, darunter viele Osteuropäer, finanzielle Unterstützung beim CO2-Sparen. Im Abschlusstext heißt es ausdrücklich, dass „Fairness und Solidaritätsaspekte in ausgewogener Weise zu berücksichtigen sind“.

Ärmere Länder erhalten Geld aus dem europäischen Emissionshandel, um ihre Energiesysteme zu modernisieren. Außerdem dürfen sie über das Jahr 2020 hinaus kostenlose Verschmutzungsrechte an Kraftwerke verteilen. Dies hatte vor allem Polen gefordert, das noch stark auf Kohle setzt. Beim Emissionshandel müssen Unternehmen Rechte zum Ausstoß von Kohlendioxid vorweisen. Sie können auch damit handeln.

Der britische Premier David Cameron hatte Einwände und wehrte sich gegen detaillierte Energiesparziele. Er ist konfrontiert mit Kritik britischer Euroskeptiker.

Die Staats- und Regierungschefs sprachen am zweiten Tag ihres Treffens auch über die wirtschaftliche Lage in Europa und das vom neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker vorgeschlagene Investitionsprogramm von 300 Milliarden Euro. Mit konkreten Entscheidungen wurde nicht gerechnet, weil Juncker am 1. November sein Amt antritt und seine Pläne noch nicht konkret ausgestaltet hat.

Beim Gipfel verdoppelte die Europäische Union ihre Hilfen für den Kampf gegen Ebola auf mindestens eine Milliarde Euro. Unter anderem steigert Großbritannien seine Unterstützung von den ursprünglich zugesagten 156 Millionen Euro auf mindestens 256 Millionen.

An der Sitzung nahm auch der Präsident der Europäischen Zentralbank EZB, Mario Draghi, teil. Dem Vernehmen nach zeigte er sich besorgt und forderte einen umfassenden Ansatz, um die Wirtschaftslage Europas zu verbessern. Er verlangte Reformen, um Investitionen zu steigern.