Fast jeder zweite junge Mann trinkt riskant viel Alkohol
Berlin (dpa) - Komatrinken, Crystal, Internet - Jugendliche in Deutschland riskieren mit süchtig machenden Stoffen und Spielen massenhaft ihre Gesundheit und Lebenschancen. Hunderttausende schrecken auch vor exzessivem Konsum nicht zurück.
Das geht aus dem Drogen- und Suchtbericht 2013 hervor, den die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans (FDP) in Berlin vorstellte.
So stieg die Zahl der 10- bis 20-Jährigen, die mit einer Alkoholvergiftung in die Klinik gebracht wurden, um 354 auf zuletzt 26 349 im Jahr 2011. Erstmals überstieg die Zahl der Mädchen und Frauen mit 10 092 Fällen die Zehntausender-Marke. Mit 3,8 Prozent besonders stark gestiegen ist das Problem bei 10- bis 15-jährigen Jungen. Dyckmans sieht „besonderen Handlungsbedarf“. Mit 41,9 Prozent versetzten sich zuletzt etwas weniger junge Erwachsene regelmäßig in Vollrausch.
Alkohol zählt insgesamt zu den gefährlichsten Risiken. So trinken 44,6 Prozent der 18- bis 29-jährigen Männer riskant viel. Insgesamt trinken Frauen und Männer laut offiziellen Kriterien zu 27,2 Prozent gefährlich viel. Mit 9,6 Litern pro Kopf sei der Alkoholkonsum in Deutschland vergleichsweise hoch. „Durch Alkoholmissbrauch entstehen in Deutschland erhebliche gesundheitliche und ökonomische Schäden“, klagte Dyckmans.
Jugendliche trinken, rauchen und kiffen unterm Strich weniger als vor zehn Jahren. „Wir sind darüber natürlich froh“, so die Drogenbeauftragte. Bei den 12- bis 17-Jährigen ist der regelmäßige Alkoholkonsum nach jüngsten Zahlen von 17,9 auf 14,2 Prozent 2011 gesunken. Der Tabakkonsum habe sich auf 11,7 Prozent mehr als halbiert. Der Cannabiskonsum sank von 9,2 auf 4,6 Prozent.
Insgesamt rund 110 000 Tote wegen Rauchens gibt es laut dem Bericht pro Jahr in Deutschland. 29,7 Prozent der 18- bis 79-Jährigen rauchen - Männer mit 32,6 Prozent häufiger.
Vor allem in Sachsen und Bayern riskieren immer mehr junge Menschen mit Crystal ihre Gesundheit. Das billige Rauschgift setzt Konsumenten blitzartig unter Strom und macht rasant schnell abhängig. Oft wird es in Drogenküchen in Tschechien produziert.
Mit 75 Kilogramm habe die Polizei 2012 soviel des kristallinen Methamphetamins sichergestellt wie noch nie - mit 3512 Fällen, in denen Beamte auf den Stoff stießen, gab es doppelt so viele wie bei Ecstasy. Allein in Sachsen habe es 40 Prozent mehr Beratungsbedarf wegen Crystal-Abhängigkeit gegeben. Dyckmans sagte aber: „Es ist kein bundesweites Problem.“
Auf 237 neue Designerdrogen stießen die Behörden in der EU laut der EU-Stelle EBDD zwischen 2005 und 2012; zuletzt alle fünf Tage auf eine neue, wie die EBDD schon mitgeteilt hatte. Die künstlichen Drogen stecken in bunten Tütchen. Vorwiegend junge Männern bestellen sie im Internet. Sie heißen Lava Red, Atomic Bomb oder Galaxy. Kürzlich brachte die Regierung ein Verbot von 26 Stoffen auf den Weg.
Von den illegalen Drogen wird Cannabis am häufigsten genommen. Bei einer Befragung kam heraus, dass zuletzt unverändert mehr als 13 Prozent der jungen Erwachsenen binnen eines Jahres Cannabis geraucht oder genommen hatten. 2012 entdeckten die Behörden 809 Cannabis-Plantagen und 24 meist kleinere illegale Labore für synthetische Drogen. Viele Drogen kommen aus dem Ausland.
Auch in anderen Bereichen war die Lage dramatisch. Rund 250 000 krankhafte Glücksspieler gibt es nach dem Bericht bundesweit. Sogar 560 000 Menschen sollen Internet-abhängig sein. 2,5 Millionen hingen zu oft am Netz. Kontrollverlust und ein Absterben des sozialen Lebens sind vor allem bei Onlinespielen die Risiken. Allein 100 000 Jugendliche zwischen 14 und 16 sollen davon abhängig sein.
Im vergangenen Jahr starben nach bereits zuvor bekanntgegebenen Zahlen 944 Menschen an übermäßigem Rauschgiftkonsum - so wenige wie seit 25 Jahren nicht mehr. 177 starben wegen Heroins.
Dyckmans setzt vor allem auf Sucht-Vorbeugung, wie sie sagte. Sie rief auch zur Nutzung von Selbsthilfe-Angeboten auf. „Sucht ist eine Krankheit, aber sie ist heilbar.“
Rot-Grün rechnete vier Monate vor der Bundestagswahl mit der Regierung ab. „Notwendige Impulse für die Zukunft gibt es von Schwarz-Gelb nicht“, erklärte die SPD-Drogenexpertin Angelika Graf. Der Grünen-Experte Harald Terpe sagte: „Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist immer dann zur Stelle, wenn die Absatzinteressen der Industrie geschützt werden sollen.“