FDP-Front gegen Westerwelle wird breiter
Berlin (dpa) - FDP-Chef Guido Westerwelle gerät in den eigenen Reihen zunehmend unter Druck. Immer mehr Liberale aus den Ländern rücken von ihm ab. Gefordert werden rasche Konsequenzen aus den Niederlagen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Aus Bayern wird die FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als neue Bundesvorsitzende ins Gespräch gebracht. Die Krise führte zu ersten Konsequenzen in der FDP-Spitze: Westerwelles Stellvertreterin Cornelia Pieper gibt ihre Ämter als Bundes-Vize und Landeschefin in Sachsen-Anhalt auf.
Die stellvertretende FDP-Fraktionschefin und bayerische Generalsekretärin Miriam Gruß legte Westerwelle den Rückzug nahe. Die Partei habe ein Glaubwürdigkeitsproblem und brauche einen inhaltlichen und personellen Neuanfang, erklärte sie laut „Rheinische Post“ bei einer Sitzung des bayerischen FDP-Landesvorstands. „Das schließt niemanden aus“, betonte Gruß. Die bayerische FDP stand bisher loyal zu Westerwelle, rückt nun aber offensichtlich vom Parteichef ab.
Auch einen Nachfolgevorschlag gibt es schon: Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die den bayerischen Landesverband führt. Vizelandeschefin Renate Will - eine Leutheusser-Verbündete - verlangte, Westerwelle solle beim Parteitag im Mai sein Amt zur Verfügung stellen. Ihm könne Leutheusser-Schnarrenberger folgen, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“.
Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sprach sich für „ein Personaltableau“ aus. Es mache keinen Sinn, „jeden Tag neue Namen ins Spiel zu bringen“. Zugleich sagte er auf Nachfrage, auch er habe eine „hohe Meinung“ von Leutheusser-Schnarrenberger und halte sie „für viele hohe Ämter“ für geeignet. Der Hintergrund: Zeil war früher schon als künftiger bayerischer Landesvorsitzender im Gespräch und könnte damit möglicherweise Leutheusser-Schnarrenberger in München beerben.
Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Pieper will nicht mehr zu den Wahlen als Bundes-Vize und FDP-Landeschefin in Sachsen-Anhalt antreten, wie sie der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“ sagte. Sie wolle sich auf ihre Aufgabe als Staatsministerin im Auswärtigen Amt konzentrieren. Allerdings stehe sie weiter als einfaches Mitglied für den FDP-Bundesvorstand zur Verfügung. Die FDP in Sachsen-Anhalt hatte bei der Wahl vor eineinhalb Wochen den Wiedereinzug in den Landtag klar verpasst und war von 6,7 Prozent auf 3,8 Prozent abgestürzt.
Der Berliner FDP-Politiker Alexander Pokorny warnte seine Partei davor, einen neuen inhaltlichen Kurs ohne den Austausch von Personen an der Spitze in Angriff zu nehmen. „Ich glaube nicht, dass ein Parteivorsitzender Westerwelle einen Neubeginn würdig vertreten kann“, sagte das FDP-Vorstandsmitglied dem „Tagesspiegel“.
Der Berliner FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann sagte, Westerwelle habe bereits nach dem schlechten FDP-Abschneiden in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr gesagt, er habe die Ursachen dafür verstanden. „Geändert hat sich aber nichts“, sagte der Schatzmeister der Berliner FDP der dpa. „Was wir jetzt brauchen, ist Geradlinigkeit.“ Diejenigen, die als mögliche Nachfolger Westerwelles im Gespräch seien, müssten auch den Mut haben „zu springen“.
Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn bekräftigte im „Darmstädter Echo“ seine Forderung, die Freidemokraten müssten „anders aufgestellt werden, inhaltlich und personell“. Auf die Frage, ob Westerwelle zurücktreten müsse, antwortete Hahn: „Er muss nicht zurücktreten, weil seine Amtszeit am 13. Mai dieses Jahres ausläuft.“
Ohne Westerwelle, der derzeit als Außenminister China besucht, namentlich zu nennen, kritisierte FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle das Erscheinungsbild der Liberalen. „Wir brauchen einen klaren Kurs. Gefragt sind unsere Brot- und Butter-Themen: Soziale Marktwirtschaft, Bildung, Bürgerrechte und Steuergerechtigkeit“, sagte er „Bild.de“.
In der FDP wurden zudem Rufe nach Aktualisierung des schwarz-gelben Koalitionsvertrags laut. „Man muss sich fragen, was gemeinsames Ziel der Koalition für den Rest der Legislaturperiode bis 2013 ist“, erklärte FDP-Vorstandsmitglied Christian Ahrendt der Nachrichtenagentur dpa.
Ahrendt unterstützt die Position von Generalsekretär Christian Lindner für die dauerhafte Stilllegung der acht älteren Atomkraftwerke, die im Zuge des Atommoratoriums von der Koalition zunächst nur vorübergehend abgeschaltet wurden.
Lindner verteidigte seinen Vorstoß. „Politische Führung sollte Ängste ernst nehmen. Sonst verliert sie irgendwann ihren Führungsanspruch“, sagte er dem „Handelsblatt“. Lindner wird als potenzieller Nachfolger Westerwelles gehandelt.