FDP setzt Zeichen für Betreuungsgeld und Patienten-Entlastung
Berlin (dpa) - Die FDP wird dem umstrittenen Betreuungsgeld voraussichtlich zustimmen und könnte bei der Union dafür eine Entlastung der Kassenpatienten durchsetzen.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle versicherte den Koalitionspartnern CDU und CSU am Mittwoch in Berlin die Vertragstreue seiner Partei beim Betreuungsgeld, das im Koalitionsvertrag verankert ist. Zugleich sagte er mit Blick auf mögliche Einsparungen für die rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten: „Wir sind uns einig, es gibt Entlastungen.“
Brüderle betonte, die endgültigen Entscheidungen treffe der Koalitionsausschuss, der inoffiziell derzeit für den 4. November geplant ist. Zu offenen Streitpunkten der Koalition sagte er: „Ich bin mir sicher, dass wir rechtzeitig vor Weihnachten alle anstehenden Probleme gelöst haben werden.“ In Unionskreisen wurde noch mit heftigen Auseinandersetzungen gerechnet. Erst am Wochenende hatte FDP-Chef Philipp Rösler das Betreuungsgeld als zu teuer bezeichnet. Er mahnte in Berlin: „Wir sind nach wie vor noch in den Diskussionen beim Betreuungsgeld, bei all den anderen wichtig anstehenden Themen.“ Bis zum Koalitionstreffen sei noch etwas Zeit.
Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage ist die FDP in der Wählergunst auf drei Prozent gesunken - den niedrigsten Stand seit vier Monaten. Der „Wahltrend“ von RTL und „Stern“ ergab ferner 38 Prozent für die Union, 12 für die Grünen, 9 für die Linke und 5 Prozent für die Piraten. Die SPD kam auf 27 Prozent.
Brüderle sagte, die FDP werde noch versuchen, „etwas Vernünftiges“ in das Betreuungsgeld hineinzuverhandeln. Danach könnten Eltern, die ihre zwei- und dreijährigen Kinder Zuhause betreuen, die langfristig geplanten 150 Euro monatlich auf ein Konto für die spätere Ausbildung der Kinder überweisen lassen. Die FDP sei aber vertragstreu.
Zur Entlastung von Kassenpatienten erklärte Brüderle: „Die zwei Möglichkeiten sind bei der Beitragshöhe, beim Beitragssatz, oder bei der Praxisgebühr.“ Denkbar sei auch eine Kombination von beidem. Die FDP bevorzuge aber die Abschaffung der Praxisgebühr.
Die 2004 unter Rot-Grün eingeführte Praxisgebühr von zehn Euro im Quartal pro Patient bringt der Krankenversicherung rund zwei Milliarden Euro im Jahr ein. Angesichts aktueller Milliardenreserven der gesetzlichen Krankenversicherung hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Praxisgebühr aber kürzlich überraschend infrage gestellt.
Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) plädierte für eine Absenkung des Beitragssatzes bei den gesetzlichen Krankenkassen, was seine Partei ins Spiel gebracht hatte. Danach könnte der allgemeine Beitragssatz von derzeit 15,5 Prozent um 0,3 Prozentpunkte reduziert werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden um rund 3 Milliarden Euro entlastet. „Wir glauben, dass die Praxisgebühr ihre Berechtigung hat“, sagte Singhammer der „Rheinischen Post“ (Donnerstag).
Die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann (SPD) wandte sich in der „Braunschweiger Zeitung“ (Donnerstag) gegen die Praxisgebühr. „Wir hatten dieses Instrument eingeführt, um die Zahl der Arztbesuche zu reduzieren - das hat aber nicht funktioniert.“ Der Linken-Abgeordnete Harald Weinberg teilte mit, dass Union und FDP am Mittwoch zum zehnten Mal einen Antrag auf Abschaffung der Praxisgebühr im Gesundheitsausschuss abgelehnt habe.