Festnahmen nach Bonner Bombenalarm - Radikal-Islamisten im Visier
Bonn (dpa) - Nach dem Bombenalarm auf dem Bonner Hauptbahnhof haben Ermittler einen gebürtigen Somalier aus der Islamistenszene festgenommen. Das bestätigten Sicherheitskreise am Dienstag in Berlin - einen Tag nach dem Fund einer Tasche mit zündfähigen Substanzen.
Die Sicherheitsbehörden gehen wohl von zwei Tätern aus, die schon länger als „Gefährder“ gelten.
Laut „Focus“ wurde der Somalier Omar D. in der Bonner Innenstadt kurz nach 13.30 Uhr festgesetzt. Sicherheitskreise bestätigten der dpa, er sei von Jugendlichen identifiziert worden. Es werde anhand von Telefondaten überprüft, ob er tatsächlich am Tatort auf dem Bonner Hauptbahnhof war.
Unbestätigten Medienberichten zufolge ging ein zweiter Verdächtiger den Fahndern ebenfalls in der früheren Bundeshauptstadt ins Netz. Zunächst war von einem Abdirazak B. die Rede, später nannten „Spiegel Online“ und „Bild.de“ den Namen Abdifatah W. Omar D. und Abdirazak B. sollen miteinander befreundet und den Sicherheitsbehörden seit Jahren als Mitglieder der militanten Bonner Islamistenszene bekannt sein.
Die Polizei äußerte sich nicht zum Stand ihrer Ermittlungen. Sie gab ihrerseits ein Fahndungsbild des Mannes heraus, der eine Tasche mit „zündfähigem“ Inhalt am Gleis 1 des Bonner Bahnhofs abgestellt haben soll. Ein 14-Jähriger Schüler habe den Verdächtigen beschrieben. Der Mann sei dunkelhäutig, 30 bis 35 Jahre alt, 1,90 Meter groß und schlank. Er habe eine schwarze Mütze, schwarze Stiefel und eine braun-graue Jacke getragen.
Am Montag war im Hauptbahnhof eine verdächtige Tasche entdeckt worden, die mehrere Metallbehälter mit Pulver enthielt, das die Polizei als „zündfähiges Material“ einstufte. Ein Zünder war zunächst nicht gefunden worden. Die Ermittler prüften, ob die Konstruktion hätte explodieren können. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte am frühen Abend eine zunächst geplante Information der Öffentlichkeit wieder ab.
„Man muss die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung abwarten“, sagte ein Polizeisprecher. Nach Informationen von „Spiegel Online“ befanden sich Butangas und Ammoniumnitrat sowie ein Metallrohr, ein Wecker und Batterien in der Tasche. Unmittelbar nach dem Bombenalarm war der Bahnhof für mehrere Stunden gesperrt worden.
Omar D. und Abdirazak B. seien alte Bekannte der Staatsschützer, schrieb „Spiegel Online“. Bereits im September 2008 waren sie auf dem Rollfeld des Flughafens Köln/Bonn geschnappt worden, nachdem sie nach Amsterdam und von dort weiter zur Ausbildung in ein pakistanisches Terrorcamp fliegen wollten. Die Ermittler bestätigten damals, dass die seinerzeit 24 und 23 Jahre alten Männer Abschiedsbriefe geschrieben haben und im Verdacht standen, in den Heiligen Krieg ziehen zu wollen. Sie wurden aber bald darauf wieder freigelassen.
Nach dpa-Informationen spricht einiges dafür, dass die mutmaßlichen Bombenleger aus dem internationalen Dschihadismus kommen. In Sicherheitskreisen wurde vermutet, dass der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernehmen. Zunächst sagte ein Sprecher aber lediglich: „Wir sind am Informationsaustausch beteiligt.“ Die Ermittler in Karlsruhe können nur in bestimmten Fällen Verfahren an sich ziehen, unter anderem beim Verdacht auf terroristische Gewalttaten.
„Bild.de“ und das ZDF hatten über zwei Salafisten namens „Dahir“ und „Buh“ berichtet, nach denen bundesweit gefahndet werde.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte, die beiden Verdächtigen seien den Sicherheitsbehörden schon seit Jahren bekannt. Die Bonner Islamistenszene bereite den Behörden Sorge, weil es dort aus religiöser, ideologischer Verblendung durchaus die Bereitschaft zu Gewalttaten und sogar Teroranschlägen gebe, sagte Bosbach dem Sender „Phoenix“.
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, erklärte in Berlin, in dem Fall werde „höchstwahrscheinlich“ die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernehmen. Dies sei ein Hinweis auf eine mögliche Gefährdung der inneren Sicherheit. Wendt sprach vom Fund eines „gefährlichen Sprengsatzes“. Dies zeige einmal mehr, „dass wir die Aufmerksamkeit gegenüber terroristischen Gefahren in Deutschland nach wie vor hoch halten müssen“.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, bat die Bevölkerung um Aufmerksamkeit bei verdächtigen Gegenständen. „Wir müssen leider immer wieder damit rechnen, dass so etwas gerade an Bahnhöfen passieren kann“, sagte er bei Phoenix. „Deutschland ist nach wie vor ein Angriffsziel von dem ein oder anderen Terroristen.“
Im Sommer 2006 hatten zwei junge Islamisten in Köln zwei in Koffern versteckte Sprengsätze in Regionalzüge gestellt. Weil in den Gasflaschen kein explosionsfähiges Gemisch ist, explodieren die Zeitzünder-Bomben aus Gas und Benzin aber nicht. Im Mai war ein radikaler Salafist bei einer Demonstration gegen die rechtsextreme Splittergruppe „Pro NRW“ in Bonn auf Polizisten losgegangen und hatte zwei von ihnen verletzt. Teile der Salafisten-Bewegung stehen beim Verfassungsschutz im Verdacht, ein Sammelbecken für gewaltbereiten Islamismus zu sein und Verbindungen zu Terrornetzwerken zu pflegen.