Trotz hoher Steuereinnahmen Finanzspielräume für Jamaika wachsen nicht in den Himmel

Berlin (dpa) - Trotz sprudelnder Steuereinnahmen haben die potenziellen Jamaika-Partner wohl weniger finanziellen Spielraum als erhofft. Dies dürfte die Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen nicht einfacher machen.

Foto: dpa

Begleitet von wechselseitigen Rufen nach mehr Entgegenkommen und teils ruppigem Ton ringen die Unterhändler derzeit hinter verschlossenen Türen um Kompromisse.

Die Steuerschätzer korrigierten am Donnerstag ihre Erwartungen für dieses und die kommenden Jahre nochmals nach oben. Sie gehen nun davon aus, dass die Staatskassen von 2017 bis 2021, also in dieser Legislaturperiode, im Vergleich zur Mai-Prognose immerhin 26,3 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen erwarten dürfen. Von 2017 bis 2021 steigen demnach die Einnahmen insgesamt von 734,2 Milliarden auf 857,9 Milliarden Euro, und bis 2022 auf 889,6 Milliarden Euro, wie der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier (CDU) in Berlin bekanntgab.

Von dem Zusatzplus profitieren aber vor allem Länder und Gemeinden. Der Bund muss nicht nur Ausfälle verkraften, sondern er muss ab 2020 im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auch höhere Zahlungen an die Länder schultern - jährlich zehn Milliarden Euro.

Altmaier sagte auch an die Adresse der Jamaika-Unterhändler, dass sich die Steuereinnahmen weiter sehr positiv entwickeln würden - aber die finanziellen Spielräume begrenzt seien. „Die Bäume wachsen auch in den nächsten Jahren nicht in den Himmel.“ Schon der bisherige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sah „nur“ einen Spielraum für Steuersenkungen von jährlich 15 Milliarden Euro.

Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Eckhardt Rehberg erklärte: „Die Sondierungsparteien müssen klare Prioritäten setzen, um die solide Haushaltspolitik ohne neue Schulden fortzusetzen.“ Er warnte, bei einem Wegfall des Solidaritätszuschlages ab 2020 würden pro Jahr 20 Milliarden Euro im Bundeshaushalt fehlen. Die Steuereinnahmen des Bundes würden damit 2020 statt 335 Milliarden nur noch 315 Milliarden Euro betragen.

Die Zustimmung zu einer Jamaika-Koalition sinkt nach einer Umfrage inzwischen. Dem jüngsten ARD-„Deutschlandtrend“ zufolge fänden nur noch 45 Prozent der Bürger ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen gut oder sehr gut. Das sind 12 Punkte weniger als bei der Erhebung Anfang Oktober. Bei den Grünen-Anhängern sank die Zustimmung besonders stark von 76 auf jetzt nur noch 55 Prozent. Bei den FDP-Wählern ging sie von 80 auf 71 Prozent zurück, bei den Unions-Anhängern von 72 auf 70 Prozent. 68 Prozent der Deutschen glauben, dass eine Jamaika-Koalition zustande kommen wird.

Kanzlerin Angela Merkel büßte zudem an Beliebtheit ein. Die CDU-Vorsitzende verlor sechs Punkte im Vergleich zum Vormonat - nur noch 57 Prozent der Deutschen zeigten sich zufrieden mit ihrer politischen Arbeit. CSU-Chef Horst Seehofer rutschte um acht Punkte auf 28 Prozent ab.

Der knapp 125 Punkte umfassende Bearbeitungskatalog, auf den sich die Vorsitzenden von Union, FDP und Grünen verständigt hatten, ist die Arbeitsgrundlage für die Unterhändler. In zwölf Themenkomplexen sind die wichtigsten Anliegen aller Seiten eingeflossen. Das Papier mit dem Titel „Bearbeitungspunkte (Stichpunkte der jeweiligen Partner, noch keine Einigungen)“ liegt der dpa vor. Es sagt noch nichts darüber aus, welche Kompromisse es tatsächlich geben wird. An diesem Freitag sollen aber erste Ergebnisse vorliegen.

In dem Papier zeichnen sich die schwierigsten Themenkomplexe ab - wie wohl auch jene Punkte, die für ein Jamaika-Bündnis besonders wichtig werden dürften. So sind in besonders umstrittenen Themenblöcken wie „Finanzen, Haushalt, Steuern“, „Klima, Energie, Umwelt“ oder „Außen, Verteidigung, Entwicklungszusammenarbeit, Handel“ nur fünf, sieben oder acht Unterpunkte aufgeführt - die es aber jeweils in sich haben.

Bei der Ausweitung der Mütterrente will die CDU der CSU einem Bericht zufolge teilweise entgegenkommen. Merkel habe zwei Kompromissangebote ausarbeiten lassen, berichtet der „Focus“ unter Berufung auf Unionskreise. In der CSU-Führung seien beide Vorschläge allerdings auf Ablehnung gestoßen.

Nach Einschätzung des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) dürfte beim Thema Zuwanderung ein Kompromiss gefunden werden. Die CSU-Forderung nach Rückführungszentren etwa finde sich „fast wortgleich in den Konzepten der FDP“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die Grünen-Unterhändlerin Claudia Roth wies im „Spiegel“ dies zurück.

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte von Union und FDP in der „Bild“-Zeitung mehr Entgegenkommen. Auch CDU-Vize Julia Klöckner forderte mehr Kompromissbereitschaft. „Wir müssen uns zusammenreißen und jeder für sich anstrengen“, sagte sie der dpa in Mainz.