Forscher fordern Zwangsabgabe: Vermögende als Haushaltsretter

Forscher fordern: 4,4 Millionen reiche Bürger sollen dem Staat Geld leihen.

Bonn/Berlin. Neu ist sie nicht, trotzdem hat sie eine politische Diskussion losgetreten: die Idee einer Abgabe für Vermögende. „Um die Staatsfinanzen zu stabilisieren und die Staatsverschuldung zu reduzieren, sollte man die Privatvermögen stärker heranziehen“, fordert Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Der Autor einer am Mittwoch veröffentlichten Studie schlägt eine Zwangsanleihe für vermögende Bürger vor. In Zeiten der Schuldenkrise im Euro-Raum würde dies den Staatshaushalt zusätzlich entlasten.

Die Wirtschaftsexperten aus Berlin wollen Wohlhabende verpflichten, dem Staat Kredit zu gewähren — zu Konditionen, die schlechter sind als marktüblich.

Je nach Konsolidierungsfortschritt können die Zwangsanleihen später zurückbezahlt oder in eine Vermögensabgabe überführt werden. Das geliehene Geld wäre dann weg. Möglich wäre auch eine einmalige Vermögensabgabe, die über einen längeren Zeitraum gezahlt würde.

Betroffen wären etwa 4,4 Millionen Bürger, die ein Vermögen von mehr als 250 000 Euro (Verheiratete 500 000 Euro) besitzen. Eine Vermögensabgabe von zehn Prozent des übersteigenden Wertes würde 230 Milliarden Euro in die deutsche Staatskasse spülen.

„Die Betroffenen können diesen Abgaben nicht so einfach ausweichen“, sagt Bach. In das Vermögen würden auch Immobilien- und Betriebsvermögen eingerechnet. „Man würde die Schulden aber berücksichtigen.“

Politikern sind geteilter Meinung. „Hauptleidtragender wäre der Mittelstand“, sagt CSU-Wirtschaftsexperte Hans Michelbach. FDP-Politiker bezeichnen die Studie als „Griff in die Mottenkiste“ und fürchten „Enteignung“.

„Die Vorschläge gehen in die richtige Richtung“, sagt dagegen Claus Matecki, Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Schon 2010 hatten Prominente wie SAP-Mitgründer Dietmar Hopp oder Sänger Herbert Grönemeyer angeboten, freiwillig höhere Steuern zu zahlen.

Das Bundesfinanzministerium hält eine Zwangsabgabe für manche Krisen-Staaten für „interessant“, sagt Sprecher Martin Kotthaus. Deutschland aber verfüge über einen „solide finanzierten Haushalt“ und müsse nicht über die „klassischen Methoden“ der Steuererhebung hinausgehen.

Bach widerspricht: Allein in Deutschland stehen Bund, Länder und Kommunen mit mehr als zwei Billionen Euro in der Kreide. Die Einbeziehung reicher Bürger in den Schuldenabbau könne auch hier von Nutzen sein, wo die Schuldenquote deutlich über der Maastricht-Grenze von 60 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt liegt. Bach betont aber auch, dass Zwangsanleihen besonders für Krisenländer sinnvoll seien.

Fraglich ist, ob die Ideen des DIW realisierbar wären. „Die Umsetzung einer Zwangsanleihe ist ausgesprochen bedenklich“, sagt der Bonner Staatsrechtler Prof. Josef Isensee. Er befürchtet eine Kollision mit dem Finanzrecht. 1984 hatte das Bundesverfassungsgericht die Einführung einer Zwangsanleihe abgeschmettert. Isensee sieht aber eine Chance für einmalige Vermögensabgaben.