Berlin Fracking: Große Volte von der Erlaubnis zum Verbot
Fracking wird es in Deutschland nach dem Willen der Koalition nicht geben - Am Freitag folgt schon die Schlussabstimmung.
Berlin. Eine solche Volte hat man selten gesehen in Berlin: Fracking, die umstrittene Methode zur Förderung von Gas, wird es in Deutschland grundsätzlich nicht geben. Das Verbot ist nach einer überraschenden Einigung in der Koalition, über die schon morgen abgestimmt wird, fast total und unbefristet, es gibt nur sehr kleine Hintertüren. Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Regierung war es noch genau anders herum gewesen: Grundsätzliche Genehmigung mit allerdings zahlreichen Einschränkungen.
Was den Sinneswandel ausgelöst hat, konnten Koalitionspolitiker am Mittwoch nicht so recht sagen. Am stärksten wohl die Proteste aus den Ländern, allen voran Nordrhein-Westfalen. Vor allem in der Unionsfraktion, deren Wirtschaftsflügel sich zunächst gegen Totalverbote ausgesprochen und die Verabschiedung mit Hilfe des Kanzleramtes hinausgezögert hatte, zeigte die Stimmung in der Bevölkerung Wirkung. "Dieses Gesetz schließt Fracking in Deutschland quasi aus", sagte der CDU-Vizevorsitzende und NRW-Landeschef Armin Laschet am Mittwoch zufrieden.
In der SPD-Fraktion hatten viele den vom Kabinett im Frühjahr 2015 verabschiedeten Entwurf ohnehin für zu löcherig gehalten. Am Dienstag ließ Unionsfraktionschef Volker Kauder in seiner Fraktion über den neuen, weit härteren Gesetzentwurf abstimmen. Und siehe da, nur noch 15 Abgeordneten waren dagegen. Der Widerstand gegen ein Verbot war offenbar überschätzt worden oder zusammengebrochen.
Es gibt beim Fracking zwei Arten: das konventionelle Fracking in Sandsteinschichten, das schon seit den 60er Jahren vor allem in Niedersachsen betrieben wird. Es ist weniger umweltschädlich. Diese Bohrstellen können weiter betrieben und neue genehmigt werden; allerdings werden die Auflagen etwa beim Trinkwasserschutz strenger, auch für bestehende Anlagen.
Umstritten ist vor allem das neue "unkonventionelle" Fracking, bei dem Gas aus Ton-, Mergel- oder Kohleschichten gefördert wird, indem Chemikalien, Sand und Wasser in die Bohrlöcher gepresst werden. Es wird nun grundsätzlich untersagt. Die ursprünglich vorgesehene Begrenzung des Verbots nur oberhalb von 3000 Metern Fördertiefe entfällt. Auch gilt es anders als in der ersten Fassung unbefristet. Zwar soll der Bundestag 2021 neu entscheiden, ob es noch zeitgemäß ist - allerdings ist die erforderliche Mehrheit für eine Aufhebung wenig wahrscheinlich.
Eine größere Hintertür gibt es bei Probebohrungen zu Forschungszwecken. Die Gegner befürchten, dass sie von der Industrie genutzt werden, um Vorkommen zu erschließen und dann Fördergenehmigungen zu beantragen. Der ursprüngliche Entwurf sah vor, dass eine Expertenkommission darüber bei jedem Projekt ein Urteil abgeben sollte. Jetzt wird die Zahl solcher Forschungsvorhaben von vornherein auf bundesweit vier begrenzt; die Länder haben zudem die Hoheit, sie zu genehmigen oder nicht. In der SPD glaubt man auch wegen der hohen Kosten nicht, dass es unter diesen Bedingungen irgendwo dazu kommt.
Trotz der Verschärfungen zeigten sich die Grünen skeptisch. Die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn, sprach gegenüber unserer Zeitung zwar von einem "kleinen Schritt in die richtige Richtung", hatte aber Bedenken wegen der Probebohrungen. Sie verlangte "eine komplette Absage an diese hochproblematische Technologie, auch für das konventionelle Fracking". Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter ging noch weiter: Das Gesetz sei wegen der erlaubten Probebohrungen "in Wahrheit eine Fracking-Erlaubnis".
Der zuständige Branchenverband "Erdgas, Erdöl und Geoenergie" (BVEG) sah das ganz anders. "Statt Chancen zu nutzen, werden sie verhindert", erklärte Hauptgeschäftsführer Christoph Löwer. "Mit Parlamentsvorbehalt und Länderklausel werden Investitionen in die Zukunft der heimischen Erdgasförderung blockiert."