Frauen erobern die Macht

In den Bundesländern fallen die klassischen Männerbastionen. Am Mittwoch strebt die nächste Ministerpräsidentin ins Amt.

Erfurt/ Düsseldorf/ Saarbrücken. Seit 2009 geht es Schlag auf Schlag: Erst Christine Lieberknecht (CDU) in Thüringen, dann Hannelore Kraft (SPD) in NRW, und am Mittwoch nimmt Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Anlauf auf den Chefsessel in der saarländischen Staatskanzlei.

Damit fallen klassische Männerbastionen in den Ländern. Während die Dax-Konzerne bestenfalls nach weiblichen Vorstandskandidaten Ausschau halten, bietet die Politik künftig neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch ein Ministerpräsidentinnen-Trio.

So viel weibliche Führung war in der deutschen Politik noch nie, seit die aus Hessen stammende CDU-Politikerin Elisabeth Schwarzhaupt vor 50 Jahren erste Bundesministerin wurde. „Frauen sind im Kommen“, sagt Lieberknecht. „Aber das wird uns nicht geschenkt.“ Nicht nur sie beschleicht das Gefühl, der Durchmarsch der Frauen könnte mehr sein als nur der Erfolg von Förderprogrammen der Parteien: „Frauen scheinen gerade in schwierigen Situationen gefragt.“

Die 53-Jährige managt in Thüringen seit knapp zwei Jahren eine schwarz-rote Koalition. Lieberknecht ging nach zehn Jahren CDU-Alleinregierung auf die SPD zu und ersparte ihrer Partei nach der Wahlschlappe die Oppositionsbank. Ambitioniert ist auch Krafts Aufgabe: Sie führt seit Juli 2010 mit den Grünen die erste Minderheitsregierung in NRW. Kramp-Karrenbauer will eine Jamaika-Koalition übernehmen — ebenfalls ein Unikum.

Lieberknecht bescheinigt sich und ihren Kolleginnen einen „Knochenjob“. Auch Frauen bräuchten Durchsetzungsstärke.

Aber regieren Frauen anders als Männer? „Frauen machen nicht besser Politik, sondern anders“, sagt Kraft. „Männer fürchten häufiger, in Konflikten ihr Gesicht zu verlieren.“ Aus Sicht von Heide Simonis, von 1993 bis 2005 Deutschlands erste Frau an der Spitze einer Regierung, gehen Frauen Probleme oft konsensorientierter und offener an. „Uns macht es auch nicht so viel aus, mal für einen Moment eine Niederlage einzustecken.“

Wie Lieberknecht hatte auch Nordrhein-Westfalens SPD-Frontfrau beim Amtsantritt einen neuen Politikstil versprochen. Als „Koalition der Einladung“ wollte sie gemeinsam mit ihrem Regierungspartner von den Grünen agieren. Da sie Zustimmung für ihre Minderheitsregierung in einem Fünf-Parteien-Parlament organisieren muss, ist Kooperation aber mehr Überlebensstrategie als „weibliche Diplomatie“.

Thüringens Regierungschefin ist es gelungen, für 2012 den ersten Haushaltsentwurf ohne Neuverschuldung seit Amtsantritt von Schwarz-Rot vorzulegen — mit Hilfe eines Mannes. Vor knapp einem Jahr holte sie Wolfgang Voß (CDU) aus Sachsen als Finanzminister. Lieberknechts Kollegin Kraft findet: Beim Regieren komme es „vor allem auf die richtige Mischung von Frauen und Männern an“.