Gabriel ermahnt SPD: Nicht gegeneinander kämpfen
Berlin (dpa) - Nach seinem Wiederwahl-Debakel hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel seine Partei energisch zur Ordnung gerufen. Die SPD dürfe nicht zu einer Partei der unerbittlichen Positionen werden, mahnte Gabriel zum Abschluss des Bundesparteitages in Berlin.
Es sei wichtig, „dass es eine gemeinsame Sozialdemokratie gibt, die einander achtet, die unterschiedliche Positionen notfalls hart austrägt, die auch mal Wahlen so entscheiden kann, wie wir sie entschieden haben, die aber am Ende des Tages für die gemeinsame Sache kämpft und nicht gegeneinander“. Andere führende SPD-Politiker forderten, die Misstrauenskultur in der Partei müsse ein Ende haben.
Gabriel hatte bei der Wahl am Freitag nur 74,3 Prozent der Stimmen erhalten. Das ist das mit Abstand schlechteste Ergebnis seiner bisher vier Wahlen - und das zweitschlechteste Resultat eines SPD-Vorsitzenden in der Nachkriegsgeschichte. Jusos und Parteilinke hatten ihm vorgeworfen, keine glaubwürdige Politik zu machen und einen Schlingerkurs zu fahren.
Der Vizekanzler hatte bereits am Freitag trotzig reagiert und erklärt, eine Dreiviertelmehrheit habe entschieden, wo es langgehe - und so werde es nun gemacht. Am Samstagabend nannte er das Ergebnis in der ARD „eher eine Chance“. „Klarheit in der Sache ist besser als hundertprozentige Wahlergebnisse“, betonte er.
Vor den Delegierten erklärte er am Samstag, die Partei werde nun Kurs halten. Die Richtung sei entschieden. „Der Kurs auf das Zentrum der Gesellschaft, auf die arbeitende Mitte dieses Landes, den werden wir einhalten.“ Die Partei müsse aber auch aufpassen, dass nicht Rigorosität Einzug erhalte in die Sozialdemokratie. Das Leben funktioniere nicht nach einem Schwarz-Weiß-Schema. Wenn die Menschen den Eindruck hätten, „einer Partei sei es nur wichtig, bei sich selber zu sein - ohne zu gucken, wie sie Mehrheiten gewinnt“, dann werde diese Partei keinen Erfolg haben.
Der Wirtschaftsminister mischte sich auch in eine hitzige Debatte über die geplanten EU-Abkommen mit den USA (TTIP) und Ceta (Kanada) ein und rief die SPD auf, sich klar zur Regierungsfähigkeit zu bekennen. Wenn man regieren wolle, müsse man auch die Bedingungen von Regieren kennen, mahnte er.
Zu der Frage, ob er immer noch als Kanzlerkandidat antreten wolle, äußerte sich Gabriel nach dem Wahldebakel zurückhaltend. „Jeder Vorsitzende der SPD muss sich das vorstellen können und wollen“, sagte er dem ZDF. Entschieden werde aber erst 2017.
SPD-Vize Ralf Stegner rief die Partei zum Zusammenhalt auf. „Wir müssen aufhören mit der Misstrauenskultur in der SPD.“ Es müsse Schluss sein mit den Vorwürfen, dass die SPD Vereinbartes nicht einhalte. „Nur eine selbstbewusste SPD, die die Gegner nicht in den eigenen Reihen sucht, hat Chancen, auch Dinge durchzusetzen.“
Auch SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel warnte davor, nach außen das Bild des Vertrauensbruchs zu transportieren. Delegierte mahnten, es bringe nichts, wenn sich die Partei öffentlich zerfleische.
Der Freihandel ist eines von vielen Themen, in denen es zuletzt intern viel Streit gegeben hatte. Vor allem Vertreter der SPD-Linken hatten angezweifelt, dass Gabriel und die Parteiführung bei TTIP und Ceta standhaft bleiben. Sie warnten, dass große Konzerne zu viel Einfluss bekommen sowie Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte ausgehöhlt werden. Auch in der Aussprache gab es viel Kritik an den Plänen. Delegierte mahnten, die SPD dürfe ihre roten Linien bei diesem Thema nicht aufgeben.
Führende Sozialdemokraten sicherten das zu. Gabriel erklärte, wenn endgültige Verträge zu TTIP und Ceta vorliegen, würden diese einem SPD-Konvent oder einem Bundesparteitag zur Abstimmung vorgelegt. Am Ende stützten die Delegierten Gabriels Kurs und votierten mit deutlicher Mehrheit für den Leitantrag der Parteispitze. Darin sind aus Sicht der SPD-Führung klare rote Verhandlungslinien gezogen.