Jubiläum Gesetz ist zehn Jahre alt - Gleichbehandlung soll reformiert werden

Die Antidiskriminierungsstelledes Bundes fordert mehr Rechte für Betroffene. Die Union übt Kritik.

Warum geht es beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) genau?

Foto: Peter Steffen

Berlin. Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fordert die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Reform der Bestimmungen. Wenn Betroffene ihre Rechte durchsetzen wollten, seien die Hürden "oft zu hoch", erklärte die Leiterin der Beratungsstelle, Christine Lüders, am Dienstag unter Verweis auf eine selbst in Auftrag gegebene Untersuchung. "Der Schutz vor Benachteiligung muss effektiver werden", so Lüders. Nachfolgend die wichtigsten Details und Hintergründe rund um das AGG:

Was ist im Gesetz geregelt?

Nach dem AGG darf kein Mensch wegen seiner ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, wegen einer Behinderung, seines Alters, Geschlechts oder sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Bei Verstößen besteht ein Schadensersatzanspruch. Betroffene können bei der Antidiskriminierungsstelle erfahren, ob die Bestimmungen des AGG tatsächlich auf sie zutreffen. Die Stelle holt juristische Gutachten ein und wendet sich zum Beispiel auch an den Betrieb, mit dem ein Betroffener Probleme hat.

Wie wird die Beratungsstelle genutzt?

Die Antidiskriminierungsstelle hat seit dem Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 nach eigenen Angaben 15.078 Beratungsanfragen bearbeitet. Die meisten Betroffenen, nämlich 3897, meldeten sich wegen einer Benachteiligung aufgrund ihrer Behinderung. 3325 Anfragen gab es im Zusammenhang mit dem Geschlecht. Weitere 2804 Anfragen bezogen sich auf das Lebensalter. Bei den Arbeitsgerichten spielt das Gesetz aber offenbar nur eine sehr untergeordnete Rolle. Im Jahr 2010 waren dort nur 0,2 Prozent der Klagen wegen des AGG anhängig. Bereits vor einigen Monaten veröffentlichte die Antidiskriminierungsstelle aber ein Umfrage, nach der 31,4 Prozent der Menschen in Deutschland in den letzten zwei Jahren eine Diskriminierung erfahren haben. Fast die Hälfte davon (48,9 Prozent) im Arbeitsleben.

Wie sehen typische Beratungsfälle aus?

Eine Bewerberin für einen befristeten Arbeitsvertrag im Schuldienst wurde die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft verweigert. Laut Antidiskriminierungsstelle hat die Betroffene inzwischen einen Arbeitsvertrag erhalten. Eine Rollstuhlfahrerin wollte ein Studium beginnen und bat deshalb darum, auch in den Abendstunden die Aufzüge der Hochschule benutzen zu dürfen, die bislang um diese Zeit aus Kostengründen abgeschaltet waren. Nachdem die Beratungsstelle sich des Falls annahm, wurde der Bitte der Betroffenen entsprochen. Angestellte einer Bank wollten einen Kunden mit Muskelerkrankung und Sprachbehinderung nicht bedienen. Nachdem die Antidiskriminierungsstelle aktiv wurde, entschuldigte sich das Geldinstitut und war zu einer Entschädigung von 1000 Euro bereit.

Welche Grenzen gibt es?

Nicht jede Benachteiligung ist nach dem AGG auch immer gleich eine Diskriminierung: So ist es zum Beispiel rechtens, wenn ein kirchlicher Arbeitgeber die Konfessionszugehörigkeit zur Bedingungen für eine Anstellung macht und Bewerber ohne entsprechende Voraussetzung abweist. Unbedenklich ist auch die Formulierung in einer Anzeige: "Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung besonders berücksichtigt".

Wie soll eine Reform aussehen?

In dem Gutachten der Antidiskriminierungsstelle wird eine Verlängerung der Frist zur schriftlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen von zwei auf sechs Monate verlangt. Begründung: Viele Betroffene zögerten mit einer Entscheidung, ihren Fall öffentlich zu machen. Gefordert wird auch ein Verbandsklagerecht, weil alleinige Kläger oft davor zurück schreckten, ihr Recht durchzusetzen. Nachgebessert werden soll auch beim Diskriminierungsschutz für Werkvertragsarbeiter. Außerdem soll das AGG nicht nur bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, sondern zum Beispiel auch bei sexuellen Übergriffen von Vermietern oder Verkäufern gelten. Allerdings ist das Sexualstrafrecht gerade erst im vergangenen Monat vom Bundestag verschärft worden.

Was sagen Kritiker?


Umstritten ist vor allem das Verbandsklagerecht. Während Grüne und Linke dafür sind, lehnt die Union den Vorstoß mit Hinweis auf einen möglichen Missbrauch ab. Er sei dagegen, "eine Art Sittenpolizei in Deutschland aufzubauen", meinte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs. Betroffene könnten auch einen Anwalt einschalten.