Meinung Zehn Jahre Gleichbehandlungsgesetz: Kein Reformbedarf

Die Aufregung war riesengroß, als das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor zehn Jahren beschlossen wurde. Die Wirtschaft befürchtete eine Mega-Klagewelle, das Ende der Vertragsfreiheit und natürlich milliardenschere Mehrkosten bei der Umsetzung des Paragraphenwerks.

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Es waren regelrechte Horrorszenarien, die da an die Wand gemalt wurden. Aber bekanntlich wird eben doch nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Längst hat sich die Wirtschaft arrangiert. Und auch die Gewerkschaften können mit dem AGG offenbar gut leben. Ihre Einschätzung fällt grundsätzlich positiv aus.

In Sachen Schutz von Minderheiten war Deutschland allerdings auch schon vor dem Gleichbehandlungsgesetz alles andere als ein weißer Fleck. Dafür genügt bereits ein Blick in die Verfassung. Laut Grundgesetz darf kein Mensch wegen seines "Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt" werden.

Es gibt Gleichstellungsbeauftragte und Betriebsräte, die gegen Diskriminierung vorgehen. Zweifellos hat das AGG die Gesellschaft für die bestehenden Rechtsgrundsätze noch einmal zusätzlich sensibilisiert. Ein Hotelier wird es sich mittlerweile gut überlegen, ob er einem homosexuellen Paar die Übernachtung verweigert. Einer Beschäftigten wegen ihrer Schwangerschaft zu kündigen, wird inzwischen ebenfalls geächtet. Genauso wie eine sexuelle Belästigung im Unternehmen schon längst nicht mehr als "Kavaliersdelikt" gilt.

Unter dem Strich ist die Gleichbehandlung in Deutschland heute nicht wirklich ein Problem mit großem Erregungspotenzial. Deshalb steht die Forderung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nach neuen Gesetzesverschärfungen auch weitgehend im luftleeren Raum. Man wird den Verdacht nicht los, dass die Stelle sich dadurch selbst mehr Bedeutung verschaffen will. Denn seit 2006 haben sich nur rund 15.000 Bürger an sie gewendet. Macht im Schnitt gerade einmal 1500 Personen pro Jahr.

Und auch der vergleichsweise hohe Anteil von fast einem Drittel der Menschen, die nach eigenen Angaben schon mal eine Diskriminierung erfahren haben, gibt der Sache nicht unbedingt mehr Gewicht. Denn ob es sich wirklich um Benachteiligungen im juristischen oder doch eher im "gefühlten" Sinne handelt, wurde in der Umfrage gar nicht thematisiert.

Ohnehin lassen sich nicht alle Lebensumstände per Gesetz regeln: Wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmer diskriminiert wird, aber aus Angst vor Jobverlust still hält, dann nützt auch die beste Rechtslage nichts. Denn wo kein Kläger, da kein Richter. Das geltende Gleichbehandlungsgesetz hat sich im Kern bewährt. Es gibt keinen triftigen Grund für eine fundamentale Reform.