Meinung Popularitätswerte: Merkels Göttinnendämmerung in Berlin

Angela Merkel ist am Tiefpunkt ihrer elfjährigen Kanzlerschaft angelangt. Das zeigen ihre drastisch sinkenden Popularitätswerte. Eine Umkehr ist nicht in Sicht. Nicht Merkels humanitäre Haltung in der Flüchtlingsfrage an sich hat sie das Vertrauen gekostet.

Jede andere Entscheidung, auch die für Zäune, hätte genauso polarisiert. Aber Merkel hätte das abmildern können, wenn sie nicht nur Empathie für die Flüchtlinge gezeigt hätte, sondern auch für die Probleme vieler Deutscher mit dieser Situation.

Daran hat es gemangelt, im Faktischen wie im Symbolischen. Das fing an beim anfänglich sehr schlechten Management der Krise durch den Innenminister, ging über die Ereignisse von Köln und endete mit ihrer offensichtlichen Unsicherheit, wie auf die Anschlagsserie in Bayern zu reagieren sei.

Zweitens steht inzwischen Merkels bisher so herausragende Fähigkeit in Frage, eine Regierung lautlos und effektiv zu führen. Das freilich haben Horst Seehofer und seine CSU sehr gezielt betrieben, indem sie sich jeder Moderation entzogen. Vor allem aber sind da die äußeren Umstände, zuletzt der gescheiterte Putsch in der Türkei und der Brexit, die Merkel praktisch den Teppich unter den Füßen ihres Erfolges weggezogen haben. Sie hat Deutschland zehn Jahre lang souverän durch die Fährnisse der immer verrückter werdenden Welt geleitet, doch im elften Jahr kommen die Einschläge von allen Seiten. Jetzt kann auch sie nicht mehr das Gefühl von Sicherheit vermitteln.

Eine Besserung ist an keiner dieser Fronten zu erwarten, im Gegenteil. Deshalb werden auch die Zustimmungswerte nicht wieder besser werden. Und mit der AfD gibt es nun eine etablierte Konkurrenzpartei. Die CDU-Chefin muss sich überlegen, ob sie unter diesen Umständen 2017 noch einmal als Kanzlerkandidatin antreten will. Noch hat sie sich nicht festgelegt.

Ihr droht ein politisches Ende wie Helmut Kohl, dessen die Bevölkerung irgendwann so überdrüssig war, dass die CDU die Macht auf Jahre verlor. Und die CDU muss entscheiden, ob sie tatsächlich das Risiko einer erneuten Kandidatur Merkels eingehen will. Nebenbei: Für Horst Seehofer ist dies auch der Moment, da er springen muss, falls er selbst Kanzler werden will.

Die Göttinnendämmerung kostet wahrscheinlich der CDU Stimmen, doch landen die nach heutigem Stand nicht bei der SPD. Sie hat keinen Grund zu jubeln, allenfalls kann sie auf neue rechnerische Koalitionsmöglichkeiten hoffen. Ihr Kandidat, Sigmar Gabriel, kann zwar Empathie deutlich besser als Merkel. In den Disziplinen Moderationsfähigkeit und Krisensicherheit aber nähert er sich sogar ihren aktuell schlechten Popularitätswerten eher von unten. Wenn überhaupt.