Meinung Schluss mit lustig - Keine Extra-Wurst für Erdogan
Jahrelang haben die europäische und deutsche Politik und Öffentlichkeit über den türkische Präsidenten Erdogan und seine permanenten Anmaßungen und Unverschämtheiten wahlweise den Kopf geschüttelt oder sich kaputtgelacht.
In Brüssel und Berlin nennt ihn schließlich keineswegs nur der Satire-Politiker Martin Sonneborn „der Irre vom Bosporus“. Nun, so hat es den Anschein, ist jedoch endgültig Schluss mit lustig: Der Mann, dem Europa ohne innere Überzeugung einen Job als Türsteher gegeben hat, fährt sein Land gerade mit Karacho vor die Wand.
Mehr noch: Indem Erdogan die Frage der Visafreiheit für die Türkei mit der Frage des Flüchtlingsabkommens in einer Tonlage vermengt, die in den meisten zivilisierten Ländern außerhalb von Erpresser-Schreiben nicht vorkommt, führt er eine inzwischen selten gewordene europäische Einmütigkeit herbei. Die Zeit der Extra-Würste ist für ihn abgelaufen.
Bereits seit 2013 wird über die Visa-Freiheit verhandelt, völlig unabhängig der Flüchtlingsfrage war sie für 2016 angepeilt worden. Sie scheitert ausschließlich daran, dass Erdogan die Bedingungen nicht erfüllt. Und es sieht auch nicht danach aus, als ob er das in absehbarer Zeit vorhätte. Ganz im Gegenteil. Das mag innenpolitisch noch eine Weile funktionieren, falls die Strukturen und die Wirtschaft des Landes den Kurs in eine islamische Präsidial-Diktatur überstehen. Wahrscheinlich ist das nicht.
Außenpolitisch steht Erdogan bereits vor dem Scheitern. In Deutschland hat der türkische Präsident mittlerweile alle politischen Kräfte gegen sich aufgebracht, die er zur Sicherung seines Einflusses auf europäischer Ebene bräuchte. Mit Ausnahme Aserbaidschans folgt kein einziges Land seiner Verschwörungs-Behauptung gegen die international weit verzweigte Gülen-Bewegung, unter deren Vorwand er die demokratischen Strukturen seines Landes ohne jede Rechtsstaatlichkeit zertrümmert.
In Deutschland, der größten türkischen Diaspora außerhalb des Mutterlandes, sind angesichts der Massen-Demonstration von Erdogan-Anhängern nun auch gemäßigte politische Kräfte dazu übergegangen, die Integration von Teilen der rund drei Millionen Türken in Deutschland als gescheitert anzusehen. Das ist nicht neu. Erstmals seit Jahren zeichnet sich aber ein breiterer gesellschaftlicher Konsens ab, daraus auch Konsequenzen zu ziehen. Es ist an der Zeit.