Meinung Sommer-Pressekonferenz: Merkel in der Defensive
Was einst als Tugend Angelas Merkels galt, ihr wohltuende Unaufgeregtheit und Besonnenheit, verkehrt sich jetzt ins Gegenteil: Nicht wenige Bürger verbinden mit der ersten Frau im Staat inzwischen ein unbehagliches Gefühl von Ratlosigkeit, vielleicht sogar Weltfremdheit.
Fast eine Woche liegt der erste islamistische Selbstmordanschlag in Deutschland nun schon zurück. Eine Woche, in der Merkel schlicht abgetaucht war. Dabei ließ spätestens der Terrorakt in Ansbach auch alle alten politischen Wunden aufbrechen, die aus Merkels Sicht schon geschlossen schienen: der Flüchtlingsstrom deutlich abgeebbt, die Neuankömmlinge zum größten Teil registriert, Fortschritte bei der Integration. Kurzum: Problem entschärft. Formal betrachtet mag das alles stimmen, doch gefühlt ist die allgemeine Verunsicherung noch nie so groß gewesen wie jetzt.
Es war die CSU, die Merkel nach einer gewissen Phase der Ruhe kräftig einheizte. Bis hin zu dem provokanten Vorwurf, die Kanzlerinnen- Politik der offenen Grenzen berge große Sicherheitsrisiken für die Bevölkerung. Auch deshalb ist Merkel nun wieder eine Getriebene. Ihr Auftritt am Donnerstag vor der Bundespressekonferenz war jedenfalls mit heißer Nadel gestrickt. Der vorgestellte Neun-Punkt-Plan für mehr Sicherheit wirkte wie ein eilends zusammen geschustertes Konglomerat aus weitestgehend bekannten Forderungen, angefangen von mehr Polizei über schnelle Abschiebungen bis hin zu jetzt schon möglichen Bundeswehreinsätzen im Innern.
Wenige Tage zuvor hatte die CSU einen Aktionsplan vorgelegt. Da wollte Merkel wohl nicht mit leeren Händen dastehen. Mit solchem parteitaktischen Geplänkel dürfte sie das weithin verlorene Vertrauen in der Bevölkerung allerdings kaum zurück gewinnen. Anstatt vor die Bundespressekonferenz zu gehen, hätte Merkel schon vor Tagen auf konkrete Kabinettsbeschlüsse zur inneren Sicherheit drängen sollen.
Natürlich ist der Kanzlerin zuzustimmen, wenn sie sich eindringlich dafür ausspricht, die demokratischen Werte einer offenen und freien Gesellschaft nicht im Kampf gegen den islamistischen Terror preiszugeben. Aber dafür fehlt es an einem schlüssigen Konzept. Deshalb klingt auch Merkels fast schon trotzig wiederholter Satz "Wir schaffen das" inzwischen ziemlich hohl. Die Frage nach dem Wie blieb einmal mehr unbeantwortet. In der AfD wird man sich nach diesem Auftritt die Hände reiben. Und auch die CSU dürfte ihr Sperrfeuer in Richtung Berlin kaum einstellen.
So kann die Kanzlerin jetzt nur hoffen, dass sich die Serie der Gewalttaten nicht weiter fortsetzt. Falls doch, steht auch ihr politisches Schicksal auf dem Spiel. Merkel selbst hielt sich am Donnerstag über eine erneute Kanzlerkandidatur bedeckt. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte sich diese Frage gar nicht gestellt.