Meinung Amoklauf von München: Fatale Vorbilder

Wieder Tote, Blut und Gewalt, wieder unendliche Trauer und unermessliches Leid — die Welt scheint mit einem sich beschleunigenden Tempo aus den Fugen zu geraten. Dieses Gefühl setzt sich fest. Wir wissen nun, dass es sich in München nicht um Terror, sondern um den Amoklauf eines einzelnen Jugendlichen gehandelt hat.

Foto: Sergej Lepke

Doch die ersten Reaktionen und das Handeln der Polizei waren geprägt durch die Angst vor Terror.

Die Anschläge des IS und einer Reihe radikalisierter Einzeltäter, die sich auf den IS berufen, sind eingesickert ins Bewusstsein vieler Menschen. Angst hat sich in den Köpfen festgesetzt nach Paris, Brüssel, Istanbul, Nizza, Würzburg. Ein Teil seiner Ziele hat der IS damit schon erreicht. Verunsicherung, Angst, die Spaltung der Gesellschaft, ja sogar eine Spaltung Europas. Einfach so weiterleben wie bisher, das erscheint nicht mehr möglich.

Der Amok-Fall von München ist nicht religiös motiviert. Der Täter war fasziniert von den Morden des Anders Behring Breivik, der auf der norwegischen Insel Utøya 77 Menschen ermordete, auch von den Amokläufern aus Winnenden und Erfurt. Die Geschichte des 18-Jährigen aus München, der neun Menschen erschossen und weitere verletzt hat, erzählt von Einsamkeit, von gefühlter Ausgrenzung, von aufgestautem Hass und davon, wie Gewaltspiele auf Menschen wirken können. Sie zeigt, wie wichtig Integration und Aufmerksamkeit sind für diejenigen in der Gesellschaft, die sich abgehängt fühlen. Sie ist ein Auftrag, Gewaltverherrlichung im Internet und in sozialen Netzwerken stärker zu bekämpfen.

In aller Klarheit muss aber auch gesagt werden: Gesellschaft und Politik können nicht alles auffangen — und nicht jede Tat verhindern. Und: Täter bleiben Täter. Nicht jeder, der sich ausgegrenzt fühlt und Ego-Shooter im Internet spielt, wird zum Mörder. Der psychisch labile Jugendliche aus München hat seine Morde über eine lange Zeit präzise geplant mit dem Ziel, anderen Menschen größtmögliches Leid zuzufügen.

Die von manchen beklagte Zurückhaltung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Umgang mit dem Amoklauf von München hat sich als richtig erwiesen. Sie sind nicht vorschnell Gerüchten hinterhergelaufen, sondern sie haben erst analysiert — und dann reagiert. Besonnen und ohne Stimmungsmache.