Meinung Tragödie in Syrien
Während der Westen um Antworten auf Terroranschläge und Amokläufe ringt, tobt in Aleppo die Entscheidungsschlacht um Syrien. Im Osten der Stadt leben noch bis zu 300 000 Menschen. Seit mehr als zwei Wochen sind sie von der Außenwelt abgeschnitten.
Das Regime von Baschar al-Assad und seine Verbündeten hatten die letzte Versorgungsroute abgeschnitten. Insbesondere massive russische Luftangriffe haben dazu beigetragen, das langsame Verhungern dieser Menschen einzuleiten. Fällt der Ostteil der Stadt, ist jener Aufstand endgültig zu Ende, der ein Syrien ohne Assad zum Ziel hatte. Der Fall Aleppos wäre vermutlich auch das Ende der Genfer Verhandlungen, deren Ziel eine friedliche Lösung des Konflikts ist.
Der Bürgerkrieg in Syrien tobt seit fünf Jahren. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen gibt es mehr als 400 000 Tote, mehr als zehn Millionen Menschen sind auf der Flucht, vier Millionen davon im Ausland. Russland ist der wichtigste Unterstützer des syrischen Regimes. Offiziell geht es der Regierung in Moskau darum, den Terrorismus zu bekämpfen. Tatsächlich haben die russischen Luftangriffe das schwankende Regime von Assad gerettet. Dabei kamen auch Streu- und Brandbomben zum Einsatz. Der Westen reagierte auf diese eklatanten Verstöße gegen das Völker- und Kriegsrecht mit Desinteresse.
Die Vision eines Syriens ohne Diktatur und Dschihad gibt es nicht mehr. Unter Führung der USA lässt die Welt Assad gewähren und konzentriert sich auf den Kampf gegen den Islamischen Staat. Keine Hilfe gibt es dagegen für die zivile Opposition. Die Bevölkerung fühlt sich zum Abschuss freigegeben. Manche suchen ihr Heil im Terror, indem sie sich den Dschihadisten anschließen — seien sie vom IS oder der Nusra-Front, dem syrischen Ableger von Al-Kaida. Die mit Abstand meisten Syrer werden aber ihre Dörfer verlassen, weil sie keinen anderen Weg sehen. Der nächste Flüchtlingstreck ist absehbar.