Gesundheitskarte: Etappensieg für Krankenkassen

Das Sozialgericht Düsseldorf will die elektronische Gesundheitskarte nicht stoppen.

Düsseldorf. Vor dem Sozialgericht Düsseldorf ist am Donnerstag der erste Prozess um die seit Jahren umstrittene und immer wieder verzögerte elektronische Gesundheitskarte entschieden worden. Der Kläger, ein 32-jähriger Wuppertaler, und die Beklagte, die Bergische Krankenkasse in Solingen, standen dabei nur stellvertretend für einen erbittert geführten Streit, der längst noch nicht ausgefochten ist.

In erster Instanz war die Krankenkasse am Donnerstag „Sieger“, wobei dieser Begriff eigentlich nicht so richtig passt. Denn den Auftrag, die elektronischen Gesundheitskarten herauszugeben, hat sie ja wie die anderen Kassen vom Gesetzgeber.

Wie anderen Versicherten auch hatte die Kasse Sven S. eine elektronische Gesundheitskarte zugeschickt. Doch der weigerte sich, diese zu benutzen. Zwar ist er weiterhin bei der Kasse versichert, doch garantieren konnte diese ihm nicht, dass das auf Dauer ohne die neue Karte funktionieren wird. Gegen diesen Bescheid der Kasse klagte Sven S. vor dem Sozialgericht.

Sein Anwalt Jan Kuhlmann argumentierte, es bestehe die Befürchtung, dass sein Mandant zum „gläsernen Patienten“ werde. Auch wenn die neue Karte derzeit nur eine mit der bisherigen Karte vergleichbare Funktion habe, müsse sein Mandant sich doch schon jetzt gegen später mögliche Funktionen wehren.

Was in Zukunft mit der Karte geschehe, darauf habe er dann vielleicht keinen Einfluss mehr. Es sei nicht absehbar, wo später welche Daten gespeichert sein werden. Erst Ende Mai hatte sich auch der Ärztetag gegen die Karte positioniert: „Der gigantomanische Anspruch, durch eine flächendeckende Elektronifizierung der Patientenversorgung unter Führung der Krankenkassen transparente Patienten und transparente Ärzte herzustellen, widerspricht elementaren ärztlichen Grundwerten.“ Niemand könne solche Daten auf Dauer schützen.

Für die Vorsitzende Richterin spielte das keine Rolle. „Das sind hochinteressante Fragen, die aber heute nicht zur Entscheidung anstehen“, sagte Elke Hagemann. Auf der Karte seien bislang lediglich, wie auf den alten Karten, die Stammdaten des Versicherten (Name, Geburtsdatum, Adresse, Versicherungsnummer) gespeichert. Nur das Lichtbild sei neu.

Alle künftig geplanten Anwendungen seien nur bei Einwilligung des Versicherten vorgesehen. Über solche späteren Anwendungen wie etwa Notfalldaten und die elektronische Krankenakte habe das Gericht aber nicht zu entscheiden.

Er habe kein anderes Urteil erwartet, kommentierte Kläger-Anwalt Kuhlmann. Zwar habe er gehofft, dass das Sozialgericht die Sache wegen verfassungsrechtlicher Zweifel — Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht — direkt dem Bundesverfassungsgericht vorlege. So aber werde man den Umweg über eine Berufung beim Landessozialgericht in Essen nehmen. Unterliege man dort, ziehe man nach Karlsruhe — vielleicht schon 2013.

Die endgültige Entscheidung ist also nur aufgeschoben und läuft parallel zum politischen und technischen Prozess um die nähere Ausgestaltung der elektronischen Gesundheitskarte, die schon jetzt an Millionen Versicherte verteilt worden ist. 2013 sollen alle rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten im Besitz der Karte sein — mit den bislang noch eingeschränkten Funktionen. Entscheidend wird sein, was noch alles außer den Stammdaten auf dem Chip gespeichert wird. Und wie diese Daten dann gegen Missbrauch gesichert sind.