Göring-Eckardt und Trittin sind Grünen-Spitzenduo
Berlin (dpa) - Die Basis der Grünen hat überraschend Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt und Fraktionschef Jürgen Trittin zum Spitzenduo für die Bundestagswahl 2013 bestimmt.
Beide riefen die Partei zur Geschlossenheit im Kampf für einen rot-grünen Wahlsieg über Union und FDP auf. Einen schweren Dämpfer erteilte die Basis Parteichefin Claudia Roth. Auch Fraktionschefin Renate Künast unterlag bei der Urwahl.
Der Parteilinke Trittin erreichte 71,9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen, die Realo-Vertreterin Göring-Eckardt 47,3 Prozent. Roth, die im Frühjahr als erste ihren Hut für eine Kandidatur in den Ring geworfen hatte, erhielt nur 26,2 Prozent, Renate Künast 38,6 Prozent. Göring-Eckardt waren im Vorfeld nur Außenseiterchancen eingeräumt worden. Rund 62 Prozent der knapp 60 000 Mitglieder hatten sich beteiligt. 35 065 Stimmzettel waren gültig. Abgegeben werden konnten bis zu zwei Stimmen.
„Wir wollen die Regierung Merkel ablösen und deutlich machen: Es geht jetzt um Grün oder Merkel“, sagte Göring-Eckardt beim ersten gemeinsamen Auftritt des Spitzenduos am Samstag in Berlin. Sie lobte die Urwahl als eine Art von Beteiligung und Demokratie, die es noch nie in Deutschland gegeben habe. Es war die erste Urwahl von Spitzenkandidaten bei einer Partei in Deutschland. Die Grünen wollten eine gerechtere und menschlichere Gesellschaft mit mehr Zusammenhalt, sagte Göring-Eckardt.
Trittin bezeichnete das Votum der Basis als Ehre und Herausforderung. „Unsere Wählerinnen und Wähler, die erwarten allerdings, dass wir auf das beste Ergebnis 2009 noch eine Schippe drauflegen.“ Die Urwahl habe gezeigt: „Die Grünen sind die Mitmachpartei Deutschlands.“ Nun zähle es, den ökologischen Umbau, die Energiewende und die Regulierung der Finanzmärkte voranzubringen. „Wir Grünen wollen diesem Land wieder Orientierung geben“, sagte Trittin. „Wir wollen einen grünen Wandel.“
Trittin und Göring-Eckardt machten deutlich, dass auch Roth und Künast an vorderer Front Wahlkampf machen sollten. Göring-Eckardt: „Es gibt keine Verliererinnen und keine Verlierer.“ Nun gelte es, zusammenzustehen. Der Wahlkampf werde kein Spaziergang. Sie hoffe auf klare und gute Ergebnisse beim anstehenden Parteitag.
Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke konnte bei der Verkündung des Urwahlergebnisses nicht sagen, ob Roth kommende Woche in Hannover nun wie geplant erneut als Parteichefin antreten wird. Auch Parteichef Cem Özdemir, der sich bei der Urwahl nicht beworben hatte, will dort bestätigt werden. Roth gratulierte den Gewinnern im sozialen Netzwerk Facebook: „Das ist Demokratie!“
Beworben hatten sich bei der Urwahl 15 Kandidaten. Auch elf zuvor unbekannte Grünen-Mitglieder hatten sich zur Wahl gestellt. Sie erhielten zwischen 0,3 und 2,4 Prozent.
Lemke wertete den Sieg der 46-Jährigen und des 58-Jährigen als klug: „Die Basis hat sich mit dieser Entscheidung für eine weise Balance zwischen Kontinuität und Erneuerung entschieden.“ Der ehemalige Umweltminister stehe für das ökologische Profil der Partei. Göring-Eckardt habe sich als Anwältin der Ärmsten und Kämpferin für soziale Gerechtigkeit profiliert.
Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck rief im Kurznachrichtendienst Twitter zur Geschlossenheit auf: „Jetzt versammeln wir uns hinter kge und jtrittin und kämpfen gemeinsam für starke Grüne.“ Die NRW-Vizeregierungschefin Sylvia Löhrmann sagte: „Klar ist auch, dass die gesamte Partei geschlossen in den Wahlkampf zieht.“
Göring-Eckardt hatte im Sommer monatelang abgewartet, ob sie überhaupt bei einer Urwahl antreten würde. Sie kündigte am Samstag an, dass sie ihr Amt als Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bis zum Ende des Bundestagswahlkampfes im Herbst 2013 ruhen lassen werde. Die Forderung der FDP-Vizechefin Birgit Homburger, das Amt als Vizepräsidentin des Bundestags niederzulegen, wies Göring-Eckardt zurück.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sprach von einer guten Wahl. Göring-Eckardt und Trittin seien klasse Redner und gute Wahlkämpfer. „Damit sind wir der Ablösung von Schwarz-Gelb einen großen Schritt näher gekommen“, so Oppermann. „Heute ist ein guter Tag für Rot-Grün.“
Lemke empfahl die Urwahl anderen Parteien zur Nachahmung. „Grün macht Demokratie lebendig - und Demokratie macht auch Grün lebendig.“ Hinterzimmerpolitik habe es fortan sehr schwierig.
Grünen-Chef Cem Özdemir hatte im Vorfeld keinen Karriereknick bei den Verlierern erwartet. „Ich glaube, niemand geht beschädigt aus der Urwahl davor“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.