Maximale Anklage gegen Zschäpe
Die Bundesanwaltschaft will, dass sich die 37-Jährige für alle Taten der Zwickauer Terrorzelle verantworten muss.
Karlsruhe. Genau ein Jahr, nachdem sich die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe der Polizei stellte, präsentierte der Generalbundesanwalt am Donnerstag eine maximale Anklage: Die einzige Überlebende der „Zwickauer Zelle“ soll als Mittäterin voll verantwortlich sein für sämtliche Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ — und das nicht nur bei den Morden und Bombenanschlägen des Trios, sondern auch bei den zahlreichen Banküberfällen.
Juristisch gesehen macht es keinen Unterschied, wenn jemand als Mittäter im Hintergrund bleibt, von dort aus aber einen wesentlichen Beitrag zur Tat erbringt. Dem Mittäter eines Mordes droht genauso die lebenslange Freiheitsstrafe wie demjenigen, der den Abzug der Waffe drückt.
Zschäpe, so argumentiert die Anklage, hatte „die unverzichtbare Aufgabe, dem Dasein der terroristischen Vereinigung den Anschein von Normalität zu geben“. Sie habe für die „Fassade“ gesorgt, ohne die der jahrelange Terror aus dem Untergrund nicht möglich gewesen wäre.
Die Bundesanwaltschaft sieht die 37-Jährige nicht als harmloses Heimchen am Herd, sondern als gleichberechtigtes Mitglied der Terrorgruppe. Sie habe das Geld der Gruppe verwaltet, und auch dabei geholfen, gefälschte Dokumente und mindestens eine Waffe zu beschaffen.
„Die NSU-Mitglieder verstanden sich als einheitliches Tötungskommando, das seine feigen Mordanschläge aus rassistischen und staatsfeindlichen Motiven arbeitsteilig verübte“, sagte Generalbundesanwalt Harald Range.
Neben Zschäpe sind vier mutmaßliche Unterstützer des Trios angeklagt — allen voran der Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der gemeinsam mit dem ebenfalls angeklagten Carsten S. die Waffe besorgt haben soll, mit der Mundlos und Böhnhardt neun Menschen ermordeten.
Ein Jahr lang haben Staatsanwälte und bis zu 400 Kriminalbeamte ermittelt, sie hörten 1200 mögliche Zeugen und untersuchten 6800 Beweisgegenstände. Die Akten umfassen gut 1000 Ordner. Range sprach von „Ermittlungen, die uns an die Grenze der Belastbarkeit geführt haben“.
Und es ist ein Berg von Vorwürfen, gegen den sich Zschäpe und ihre drei Anwälte vor dem Oberlandesgericht München verteidigen müssen. Im Zentrum stehen neun Morde an Geschäftsleuten türkischer und griechischer Herkunft, der Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn, bei dem eine Beamtin getötet wurde sowie zwei Sprengstoffanschläge in Köln, bei denen mehr als 20 Menschen verletzt wurden.
Hinzu kommt der Vorwurf der Brandstiftung und des versuchten Mordes, als Zschäpe am Ende die Wohnung des Trios in Zwickau anzündete.
Ob sich der Vorwurf der Mittäterschaft in allen Fällen auch vor Gericht bestätigen wird, ist eine der spannenden Fragen des Verfahrens, das voraussichtlich im kommenden Frühjahr am Oberlandesgericht München beginnt.