Grüne sagen Ja zu Atomausstieg bis 2022

Berlin (dpa) - Mit einem überraschend klaren Ja zum Atomausstieg bis 2022 haben die Grünen ihre Führung gestärkt und den eigenen Regierungsanspruch untermauert.

Bei nur wenigen Gegenstimmen unterstützten die 770 Delegierten des Sonderparteitags am Samstag trotz erheblicher Bedenken die Ausstiegspläne von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). CDU und SPD begrüßten den Beschluss. Die grünen Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin werteten den Berliner Parteitag als historisch.

Nach mehr als sechsstündiger Redeschlacht setzte sich die Grünen- Spitze am Samstag in Berlin auf ganzer Linie durch. Die Basis gab den 68 Bundestagsabgeordneten grünes Licht, an diesem Donnerstag Ja zur Atomgesetznovelle zu sagen. Weitere Gesetze zum Ausbau der erneuerbaren Energien wollen die Grünen als unzureichend ablehnen.

Nach der Bundestagswahl 2013 möchten die Grünen bei einer Regierungsbeteiligung den Ausstieg beschleunigen. Sie halten das Aus für die Meiler schon bis 2017 für möglich.

Einzelne grüne Abgeordnete wollen dennoch im Bundestag mit Nein stimmen. „Das wird es geben, das muss man aushalten“, sagte Parteichef Cem Özdemir der Nachrichtenagentur dpa. Der Klima-Experte der Fraktion, Hermann Ott, begründete sein Nein in der „Leipziger Volkszeitung“: „Wenn so ein Ding hochgeht, sind wir mit schuld.“

Die Koalition braucht die Stimmen der Grünen nicht, doch die Ökopartei will einen parteiübergreifenden Konsens. „Aus diesem Konsens wird kaum jemand je wieder herauskommen“, sagte der als potenzieller Kanzlerkandidat gehandelte Fraktionschef Jürgen Trittin der dpa. „Das ist schon ein historisches Datum.“

Grünen-Parteichefin Claudia Roth sieht dennoch weiter tiefe Gräben zur Union. So gebe es in der Innen-, Sozial- und Europapolitik weiterhin große Differenzen, sagte sie im Deutschlandfunk.

Den Delegierten hatte Roth zugerufen: „Wir haben diese schwarz- gelbe Regierung zur Wahrheit gezwungen.“ Die Rücknahme der „unsäglichen Laufzeitverlängerung“, nach der die Meiler bis weit über 2040 hinaus gelaufen wären, sei grünes Ziel gewesen. Es sei ein grüner Sieg und eine desaströse Niederlage für die Atomparteien. „Da müssen wir Grünen doch zupacken.“ Trittin sagte: „Wie glaubwürdig wäre es, wenn wir gegen unsere eigenen Anträge stimmen würden?“ Kein Grüner könne Nein zum Aus für die acht ältesten Meiler sagen.

Doch auch die Befürworter eines Nein heimsten viel Beifall ein. Der Parteilinke Hans-Christian Ströbele löste mit einem flammenden Appell für ein Nein „Abschalten“-Sprechchöre aus. Nicht minder demonstrativ fiel direkt danach aber der Jubel für Fraktionschefin Renate Künast und ihr Plädoyer für ein Ja aus. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann betonte, die Länder hätten viel erreicht, etwa den stufenweisen Ausstieg. „Jetzt fällt eine Richtungsentscheidung.“ Forderungen nach Bedingungen für ein Ja setzten sich trotz Zuspruchs nicht durch.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe begrüßte das Grünen-Votum. „Natürlich freue ich mich“, sagte er der „B.Z. am Sonntag“. Doch „der Stresstest für die Grünen kommt erst noch“. So werde sich beim Bau neuer Netze zeigen, ob die Grünen zu unpopulären Maßnahmen bereit seien. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte: „Das war eine Feuertaufe fur die Regierungsfähigkeit der Grünen. Das Ergebnis ist ein gutes Signal für eine rot-grüne Zusammenarbeit ab 2013.“

Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, kritisierte: „Die Grünen verraten ihre grünen Ziele.“ Mit ihrem Ja wollten sich die Grünen als koalitionsfähig für die Union erweisen.

Künast wertete den Atom-Konvent als zweitwichtigsten Parteitag nach der Gründungsversammlung. „Wir nehmen die Verantwortung an, die aus Wahlergebnissen von 20 Prozent und mehr erwächst“, sagte sie der „Leipziger Volkszeitung“. Starken Rückenwind gebe es nun auch für ihre Kandidatur um das Amt von SPD-Regierungschef Klaus Wowereit im Herbst in Berlin. „Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben.“

Roth und Trittin versicherten, bei einer Regierungsbeteiligung würden die Grünen den Ausstieg möglichst beschleunigen, die Sicherheitsstandards erhöhen und das Atommülllager in Gorleben schließen. „Dann setzen wir die Daumenschrauben an“, versprach Roth.